Kassen harmonisieren alle Leistungen

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Die Unterschiede zwischen den Gebietskrankenkassen wurden beseitigt. Verärgerung über den Vorstoß der Koalition zur Bekämpfung von Krankenstandsmissbrauch.

Wien. Alle Versicherten sollen einheitliche Leistungen bekommen: Das war eines der Hauptargumente der Regierung für die Zusammenlegung der Krankenkassen. Doch das haben die Gebietskrankenkassen schon jetzt ganz ohne Zusammenlegung geschafft: Hauptverbands-Vorsitzender Alexander Biach (ÖVP) präsentierte am Dienstag den letzten Teil der Leistungsharmonisierung. Begonnen wurde das Projekt vor einem Jahr, nun ist es bis auf einen Teilbereich, nämlich orthopädische Schuheinlagen, abgeschlossen.

„Vor einem Jahr, als ich Vorsitzender wurde, hat man die Kassen als reformunwillig bezeichnet. Ich bin stolz darauf, das wir das jetzt aus eigener Kraft und ohne ein Gesetz geschafft haben“, sagte Biach. Der Obmann der Salzburger Gebietskrankenkasse, Andreas Huss (SPÖ), sekundierte: „Jetzt muss die Regierung einen anderen Grund für die Zusammenlegung finden.“

Vereinheitlicht wurde jeweils auf dem höchsten Niveau, was in Summe Kosten von 84 Millionen Euro verursacht. Nicht mit einbezogen in die Harmonisierung wurden die berufsständischen Kassen (Beamte, Bauern, Gewerbetreibende, Eisenbahner): Dies käme noch wesentlich teurer. Würde man da auf 70 Prozent des jeweiligen Höchstniveaus vereinheitlichen, kostete das mehr als 400 Mio. Euro, bei 100 Prozent sogar mehr als eine Milliarde Euro.

Im letzten Jahr waren schon die Zahlungen für Rollstühle, Transportkosten, Zahnspangen oder die Zeckenimpfung vereinheitlicht worden, nun geht es im letzten Schritt um Psychotherapie, Physiotherapie, Ergotherapie oder Hörgeräte. Am teuersten kommt die Kassen eine Leistung, die für die meisten von ihnen neu ist: Kinder zwischen zehn und 18 Jahren erhalten künftig einmal im Jahr eine Mundhygiene beim Kassenarzt gratis, bei einer festsitzenden Zahnspange zweimal im Jahr. Das ist mit Kosten von 30 Mio. Euro die teuerste Maßnahme im Zuge der Harmonisierung, wird aber aus gesundheitspolitischen Gründen gemacht: Mehr als 50 Prozent der Kinder in Österreich haben Karies. In Ländern, in denen Mundhygiene verstärkt eingesetzt wird, sind es weniger als zehn Prozent.

Bei der Psychotherapie steigt der Zuschuss nur leicht auf 28 Euro pro Stunde. Trotzdem soll es in dem Bereich eine wesentliche Verbesserung für die Patienten geben: Es soll künftig deutlich mehr Psychotherapeuten mit Kassenvertrag geben. Derzeit ist die Situation regional stark unterschiedlich: Während in Salzburg 73 Prozent aller Therapien als Sachleistung angeboten werden (also ohne Zuzahlung des Patienten), so sind es in anderen Bundesländern nur fünf Prozent. Ab 2020 sollen es in jedem Bundesland mindestens 50 Prozent Sachleistung sein.

Verärgert sind die Kassen über den von der Bundesregierung geplanten Auftrag, den Versicherten bezüglich Krankenstands-, Heilmittel- und e-Card-Missbrauch per Analysestool elektronisch nachzuschnüffeln. Niemand im Hauptverband der Sozialversicherungsträger habe eine solche Gesetzesänderung bestellt, betonte Ingrid Reischl, Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse. „Ich sehe überhaupt keinen Grund, warum wir jetzt kranke Menschen weiter verfolgen sollten“, sagte sie. Kritische Worte kommen auch von Biach. Man habe Tools, die bereits jetzt gut funktionierten, nicht nur, was Krankenstände, sondern auch, was etwa die Abrechnung der Ärzte betreffe: „Mir hätte es gefallen, wenn man einmal schaut, was da an Überprüfungsmöglichkeiten vorhanden ist.“ Mit ihm sei jedenfalls nicht gesprochen worden.

Huss warnte vor Datenmissbrauch, wenn alle Versicherten flächendeckend gescreent würden. Man schaffe da eine Ausnahme von der Datenschutzverordnung. Auch die Finanz und andere Stellen hätten dann Zugriff auf die Daten der Versicherten. [ APA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2018)

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