Börse will mehr Privatisierung sehen

Auch Börse-Chef Christoph Boschan beugt sich dem Zeitgeist: Ab sofort gibt es zwei Kryptoindizes an der Wiener Börse.
Auch Börse-Chef Christoph Boschan beugt sich dem Zeitgeist: Ab sofort gibt es zwei Kryptoindizes an der Wiener Börse. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Börse setzt große Hoffnungen in die Regierung: KMU sollen leichter an die Börse, die KESt sinken und Staatsanteile an OMV, Telekom und Post bis zur Sperrminorität verkauft werden.

Wien. Wenn es um die Zukunft des Kapitalmarkts in Österreich geht, wird Heimo Scheuch beinahe lyrisch: „Der Wind der Veränderung weht durch das Land der Beharrer“, sagt der Aufsichtsratspräsident der Börse Wien am Dienstag vor Journalisten. Die neue Regierung scheint zu verstehen, was das Land an einem gut funktionierenden Aktienmarkt habe. Im Herbst soll der Wind auch in Form neuer Gesetze greifbar werden.

Wie berichtet, will Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) kleinen Unternehmen den Zugang zur Börse wieder erleichtern. Zu diesem Zweck soll der Handel mit anonymen Inhaberaktien statt Namensaktien auf dem sogenannten dritten Markt wieder erlaubt werden. Die Vorgängerregierung hatte das verboten, um jeden Versuch der Geldwäsche vorab verhindern zu können. Börse-Chef Christoph Boschan ist in jedem Fall bereits auf die Deregulierung vorbereitet und hält das neue Börsensegment „direct market“ schon bereit. Einzige Voraussetzung für interessierte Unternehmen: die AG als Gesellschaftsform und „ein paar Dutzend Investoren Streubesitz“.

Nur noch 16 Prozent KESt?

Die Wiener Börse verspricht sich davon nach einem guten Jahr 2017 (48,9 Mio. Euro Umsatz, plus 2,3 Prozent; 28,07 Mio. Euro Gewinn, plus 10,4 Prozent) weitere Impulse. Aber Boschan hofft auf mehr. Die notwendige „Vollharmonisierung auf internationales Regulierungsniveau“ hieße unter anderem die Absenkung der Kapitalertragsteuer auf 16 Prozent, ein höherer Gewinnfreibetrag und ein Ende der Veröffentlichungspflicht in der „Wiener Zeitung“.

80 Prozent des Umsatzes der Wiener Börse kämen von internationalen Großinvestoren wie Morgan Stanley oder der Deutschen Bank, erklärt er. Und in London interessiere sich niemand für „österreichische Sonderlocken“, sagt der gebürtige Deutsche. Was er meint: Die „Extrawürstel“, die sich Österreich in Sachen Regulierung des Kapitalmarkts leistet, seien vor professionellen Investoren kaum noch zu rechtfertigen.

Vermögen bei Landesfürsten

Eine Botschaft, die – so scheint es – bei der Koalition angekommen ist. „Diese Regierung hört offen zu. Und das ist schon mehr als bisher“, lobt der Börse-Chef vorab. Ob diese Vorschusslorbeeren zu voreilig verteilt wurden, wird sich spätestens im Herbst zeigen, wenn die ersten Gesetze zur Stärkung des Kapitalmarktes beschlossen werden sollen. Bis dahin legt Boschan noch ein paar Forderungen nach. So solle Österreich danach trachten, „europäisches Normalniveau bei Privatisierungen“ zu erreichen. Eine ganze Studie ließ die Börse erstellen, um aufzuzeigen, wo sich die öffentliche Hand noch von Unternehmensbeteiligungen trennen könnte. Das Ergebnis: Ein Großteil des Potenzials liegt nicht beim Bund, sondern bei den Ländern. Dass die Landesfürsten allzu leicht von ihren Energieversorgern lassen werden, glaubt allerdings auch der Börse-Chef nicht.

Er schlägt stattdessen vor, „den Streubesitz bei den bereits börseoptierten Staatsunternehmen zu erhöhen“. Die Republik Österreich hält über die Staatsholding Öbib unter anderem Anteile an den ATX-Konzernen OMV, Telekom und Post. Hier sollte der Bund seine Beteiligung auf die Sperrminorität von 25 Prozent plus einer Aktie absenken – und „der Bevölkerung eine Chance geben, sich zu beteiligen“, so die Idee.

Die Koalition kommentierte den Vorstoß der Wiener Börse bis dato nicht. Klar ist, dass bis Jahresende eine neue Struktur und eine neue Strategie für die Staatsbeteiligungen gefunden werden soll. Auch der Zu- und Verkauf von Anteilen soll dann nicht mehr tabu sein. (auer)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2018)

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