Kurz reist zu Viségrad-Treffen nach Budapest

UNGARISCHER PREMIER ORBAN BEI BK KURZ
UNGARISCHER PREMIER ORBAN BEI BK KURZAPA/ROLAND SCHLAGER
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Ungarns Premier Orbán hatte den Kanzler eingeladen. Das wichtigste Thema soll der Kampf gegen illegale Migration sein.

Bundeskanzler Sebastian Kurz ist am Donnerstag in heikler Mission unterwegs. Der ÖVP-Chef reist auf Einladung des rechtsnationalen ungarischen Premierministers Viktor Orbán zu einem Treffen der Regierungschefs der EU-intern umstrittenen Viségrad-Staaten in Budapest. Laut Bundeskanzleramt erfolgt die Teilnahme in Vorbereitung des EU-Ratsvorsitzes, den Österreich ab Anfang Juli innehaben wird.

Wichtigstes Thema seien die Prioritäten des österreichischen Ratsvorsitzes, vor allem der Kampf gegen illegale Migration, hieß es im Vorfeld der Reise aus dem Bundeskanzleramt: "Im Fokus stehen dabei Bemühungen zum Schutz der Außengrenzen, insbesondere eine Stärkung von Frontex und Maßnahmen gegen illegale Migration entlang der Albanien-Route." Laut der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung ist jüngst wieder eine verstärkte Migrationsbewegung entlang der Albanien-Route zu verzeichnen. Daher sollen auch österreichische Polizisten zur Unterstützung der albanischen Behörden entsandt werden.

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) drohte unlängst in diesem Zusammenhang, "im Fall der Fälle" alle Grenzen Österreichs dicht zu machen. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) hält die Sorge vor einer neuen Balkanroute oder einer Wiederholung des Flüchtlingsansturms von 2015/2016 dagegen für übertrieben. Zwar gebe es vermehrt Ankünfte in Bosnien-Herzegowina, aber der Großteil von diesen Personen sei schon seit langem auf der Flucht, erklärte die IOM.

"Angstmacherei"

Auch albanische Regierungspolitiker wie Ministerpräsident Edi Rama stellten massive Flüchtlingsbewegungen in Abrede. Der ehemalige Sonderkoordinator des Stabilitätspakts für Südosteuropa und Ex-ÖVP-Vizekanzler Erhard Busek sprach vor rund zwei Wochen in seiner Funktion als Vorsitzender des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM) von "Angstmacherei" .

Das Bundeskanzleramt wiederum betonte vor dem Treffen, dass im Bereich Migration eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Visegrad-Staaten Ungarn, Tschechien, Slowakei und Polen von großer Bedeutung sei, um die EU-Außengrenzen ordentlich zu schützen. Kurz hatte zum Kampf gegen illegale Migration nach Europa in der vergangenen Woche eine "Achse der Willigen" vorgeschlagen, für die er im deutschen Innenminister Horst Seehofer von der bayerischen CSU "einen wichtigen Partner" sieht. Außerdem kommen die neue Regierung in Rom, aber auch die Niederlande, Dänemark und die Viségrad-Staaten als Kooperationspartner in Frage.

Die Visegrad-Länder verfolgen seit dem Höhepunkt der Migrationskrise im Jahr 2015 einen sehr restriktiven Flüchtlingskurs. So lehnten sie die EU-interne Verteilung nach Quoten ab. Orbán riegelte die ungarischen Grenzen bereits damals mit einem Zaun ab. Der Chef der nationalkonservativen Regierungspartei Fidesz propagiert auch ein Modell der "illiberalen Demokratie", das er in Ungarn gerade umsetzen will. Er liegt mit der EU wegen seiner restriktiven Asylpolitik, der Einschränkung demokratischer Rechte und des mutmaßlichen Missbrauchs von EU-Geldern im Streit.

Am heutigen Mittwoch sollte das Parlament in Budapest über ein Gesetz abstimmen, das Flüchtlingshelfer von Nichtregierungsorganisationen mit Gefängnisstrafen bedroht. Es wird unter Anspielung auf den ungarischstämmigen US-Milliardär George Soros auch als "Stop-Soros-Gesetz" bezeichnet. Das ungarische Helsinki-Komitee warnte zuletzt angesichts einer von der Regierung im derzeitigen Viségrad-Vorsitzland Ungarn verschärften Kampagne gegen Flüchtlingshelfer von einer "Ära der Angst, wie es sie seit dem Ende der kommunistischen Diktatur nicht mehr gab". Die Medien- und Meinungsfreiheit werde beschnitten und gegen NGOs zunehmend repressiver vorgegangen.

Angesichts dessen werfen Kritiker - etwa aus der Opposition - Kurz eine unkritische Nähe zum als EU-skeptisch bis -feindlich geltenden Orban vor. So sprach der scheidende NEOS-Chef Matthias Strolz in einem Gastbeitrag für "Zeit Online" von einer neuen "Achse der Prinzipienlosen". Eine Gruppe nationalkonservativer Populisten um Kurz und Orbán versuche "professionell und kaltschnäuzig, eloquent und hemmungslos" Europa umzubauen. "Sie haben keine Vision für Europa, aber sie haben Lust auf Macht", so Strolz in der Online-Ausgabe der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" und warnte: "Unter der Führung nationalkonservativer Populisten würde die Europäische Union in die weltpolitische Bedeutungslosigkeit taumeln. Und die Machtblöcke im Westen und Osten schauen amüsiert zu. Sie wittern fette Beute."

Tusk kommt nach Wien

Am FReitag kommt Ratspräsident Donald Tusk zu einer Begegnung mit Kurz nach Wien, um laut Bundeskanzleramt die Migrationskrise und den Schutz der Außengrenzen zu besprechen. Demnach steht auch ein mögliches Treffen mit Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel und Regierungschefs anderer betroffener Staaten im Vorfeld des EU-Gipfels Ende der kommenden Woche (28./29.6.) im Raum. Der Kampf gegen illegale Migration wird auch Thema eines bilateralen Treffens mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Rande des Europäischen Rates in Brüssel sein, hieß es aus dem Kurz-Büro.

Von dort verlautete außerdem: "Weitere Themen des Gesprächs mit den Visegrad-Regierungschefs sind die Verbesserung der Beziehungen EU-Israel, die Unterstützung der Westbalkanstaaten bei der Annäherung an die EU, die Indexierung der Familienbeihilfe sowie die Bekräftigung der ablehnenden Haltung Österreichs zur Nutzung von Atomenergie."

(APA)

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