Neue Erwachsenenvertretung: 55.000 bestehende Sachwalterschaften werden überprüft

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Einblicke in die h�usliche Pflege von Angeh�rigen in der eigenen Familie bei Demenzerkrankung u B z(c) imago/Martin Wagner (Martin Wagner)
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Am 1. Juli tritt das Erwachsenenschutzgesetz in Kraft. Es sieht mehr Selbstbestimmung für Betroffene vor. Zigtausende bestehende Sachwalterschaften müssen überprüft werden; ein Wechsel in eine neue Vertretungsform ist möglich.

Die "klassische" Sachwalterschaft hat bald ausgedient - zum größten Teil jedenfalls. Am 1. Juli tritt das neue Erwachsenenschutzgesetz in Kraft, das für Menschen, die nicht zur Gänze oder gar nicht fähig sind, für sich selbst zu entscheiden, neue Möglichkeiten der Vertretung bringt. Die Sachwalterschaft heißt dann gerichtliche Erwachsenenvertretung und soll nur noch in Ausnahmefällen verfügt werden. Über die Finanzierung des Projekts hatte zuletzt Unklarheit geherrscht.

"Das neue Erwachsenenschutzrecht verfolgt das Ziel, zuerst alle anderen Unterstützungsmöglichkeiten auszuschöpfen, bevor eine gesetzliche Vertretung in Frage kommt", heißt es aus dem Justizministerium. Vier Formen der Vertretung sind vorgesehen: Zunächst die Vorsorgevollmacht, in der jeder festlegen kann, wer im Fall des Verlustes der eigenen Entscheidungsfähigkeit die Vertretung übernehmen soll. Eine solche Vollmacht wird von einem Notar, einem Rechtsanwalt oder - kostengünstiger - beim Erwachsenenschutzverein, dem bisherigen Sachwalterverein, verfasst und registriert.

Sachwalterschaften werden gerichtlich geprüft

Stufe zwei besteht in der gewählten Erwachsenenvertretung, für die das Vorliegen einer "geminderten Entscheidungsfähigkeit" einer Person Voraussetzung ist. Die Wahl eines solchen Vertreters - etwa ein Verwandter oder eine andere nahestehende Person - ist für Menschen gedacht, die zum Beispiel aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht mehr alle ihre Angelegenheiten selbst regeln können. Auf jeden Fall muss der oder die Betroffene diesen gewählten Vertreter wollen. Das Gericht führt jährlich Kontrollen der Lebensumstände und der finanziellen Situation dieses Vertreters durch.

Für Menschen, die nicht in der Lage sind, eine solche Vertretung zu wählen, und aufgrund ihrer Beeinträchtigung Gefahr laufen, sich selbst zu schaden, ist die gesetzliche Erwachsenenvertretung gedacht, die auf der bereits möglichen Vertretung durch Angehörige aufbaut. Neu ist, dass auch Geschwister, Enkel und Neffen oder Nichten diese Funktion übernehmen können. Ihre Zuständigkeitsbereiche sind vom Gesetz vorgegeben und können je nach individuellem Fall variieren. Diese Art der Vertretung endet automatisch nach drei Jahren und ist im Bedarfsfall zu erneuern. Sowohl die gewählte als auch die gesetzliche Vertretung können bei den Vereinen errichtet werden.

Als vierte Form gibt es die gerichtliche Erwachsenenvertretung, die weitestgehend der bisherigen Sachwalterschaft entspricht. Die Frage, ob und in welchem Umfang ein Mensch eine Vertretung braucht, wird vom Gericht geklärt. Gewisse Mitsprachemöglichkeiten des Betroffenen sind vorgesehen. Neu ist laut Justizministerium, dass die gerichtliche Vertretung auf bestimmte Zuständigkeitsbereiche beschränkt ist. Sie endet automatisch nach drei Jahren oder bleibt so lange wirksam, wie sie erforderlich ist.

Für bestehende Sachwalterschaften ändert sich abgesehen von der Bezeichnung nichts. Sie werden automatisch in gerichtliche Erwachsenenvertretungen umgewandelt und nach dem neuen Gesetz überprüft. Dafür haben die Gerichte bis Ende 2023 Zeit. Diese lange Frist ist vorgesehen, weil rund 55.000 Sachwalterschaften bestehen und zu kontrollieren sind, wie das Ministerium unter Bezug auf eine Zahl aus dem Jahr 2017 erläuterte. Wenn es erforderlich ist, werden sie erneuert.

Wer schon früher auf eine andere Vertretungsart umsteigen möchte, kann bei Gericht die Beendigung der bestehenden gerichtlichen Vertretung beantragen. Das Ministerium rät, sich in diesem Fall zuerst beim Erwachsenenschutzverein, bei einem Notar oder einem Anwalt zu erkundigen, ob die gewünschte Vertretungsart in Betracht kommt. Vertretungsbefugnisse nächster Angehöriger, wie es sie schon bisher gab, bleiben bestehen und enden spätestens nach drei Jahren.

(APA)

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