"Konzernkanzler Kurz, Arbeiterverräter Strache": SPÖ-Protest gegen Arbeitszeitgesetz

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Die SPÖ kündigt eine Sondersitzung im Nationalrat zum 12-Stunden-Tag an. Klubobmann Schieder will mit "allen Mitteln gegen dieses Gesetz vorgehen".

Die SPÖ läuft weiter Sturm gegen das von der Regierung eingebrachte Arbeitszeitgesetz, das künftig generell 12-Stunden-Tage ermöglichen soll. "Die SPÖ wird mit allen Mitteln gegen dieses Gesetz vorgehen", kündigte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder am Donnerstag vor Journalisten an. Das Mittel der Wahl ist vorerst eine Sondersitzung im Nationalrat. Diese findet am Freitag, 29. Juni, 15 Uhr statt. Dies "entrüstet" Schieder: Die Regierungsfraktionen seien über die Terminwünsche der SPÖ "drübergefahren" und versuchten, "die Grauslichkeiten des 12-Stunden-Tages" an diesem wenig öffentlichkeitswirksamen Termin zu "verstecken", kritisierte er.

Eine Behandlung Freitag - im Osten Österreichs der letzte Schultag - ab 15.00 Uhr könne nur als Versuch gesehen werden, ein unliebsames Thema "zu verstecken". Im Büro Sobotkas wurde die Entscheidung für Freitagnachmittag mit Auslandsreisen von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Kanzler Sebastian Kurz (beide ÖVP) begründet.

Aus Schieders Sicht haben "Konzernkanzler (Bundeskanzler Sebastian) Kurz und Arbeiterverräter (Vizekanzler Heinz-Christian) Strache" das Gesetz auf Wunsch von Wirtschaft und Industrie eingebracht. KTM-Chef Stefan Pierer habe im Wahlkampf gut 400.000 Euro gespendet "und wünscht sich im Gegenzug, zwölf Stunden sollten möglich sein", so der SPÖ-Klubobmann. Auch verwies Schieder auf ein "Kurier"-Interview Straches aus seiner Zeit als Oppositionspolitiker, in dem er den 12-Stunden-Tag als "asoziale, leistungsfeindliche Idee" bezeichnet hatte.

Strache hielt am Mittwochabend der Kritik entgegen: "Natürlich ist das ein Gewinn, eine Win-Win-Situation" für Arbeitgeber und Arbeitnehmer - und "niemand wird mehr arbeiten".

Inhaltlich sei das Gesetz ein Lohn-, Freizeit- und Gesundheitsraub. Im ganzen Gesetzesantrag komme das Wort freiwillig nicht vor, es komme auch nicht vor, dass die Arbeitnehmer ein Recht darauf hätten, sich die Zeit selber einzuteilen.

"Viele Frechheiten gegen Arbeitnehmer"

Schieder würde es aber auch nicht genügen, sollte in das Gesetz die Freiwilligkeit der 11. und 12. Stunde eingebaut werden, wie es Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) am Mittwoch in der "ZiB2" angedacht hatte und auch die ÖVP- und FPÖ-Klubobleute in Aussicht stellen. Das würde nichts daran ändern, dass das Gesetz strukturell arbeitnehmerfeindlich sei und "viel Frechheiten gegenüber den Arbeitnehmern" beinhalten würden.

Auch kritisierte Schieder, dass Menschen mit Gleitzeit künftig 60 Stunden arbeiten könnten, ohne einen Zuschlag zu erhalten. Arbeitszeiten für alle würden länger, aber nicht flexibler, denn die Arbeitnehmer müssten sich künftig rechtfertigen, wenn sie Freizeit vorziehen, statt dass wie bisher der Chef längere Einsätze begründen müsste. Auch falle die generelle Sonntagsruhe, da jedem an vier Wochenenden im Jahr Arbeit zugemutet werden könne. Aus 52 freien Wochenenden würden nur mehr 48.

ÖAAB fordert Freizeitblöcke

Der ÖAAB Oberösterreich pocht auf die Freiwilligkeit des 12-Stunden-Tag, wie er in einer Presseaussendung am Donnerstag feststellte. Außerdem verlange man, dass die 11. und die 12. Überstunde immer zuschlagspflichtig sein müsse, sagte der stellvertretende Landesobmann des ÖAAB Oberösterreich und Vizepräsident der Arbeiterkammer Helmut Feilmayr.

Zur Abgeltung der Überstunden fordert Feilmayr, dass die 11. und 12. Überstunde an jedem Arbeitstag immer mit einer 50-prozentigen Zuschlagspflicht ausgestattet werden müsse. Und eine mögliche Ausdehnung der maximal möglichen Tagesarbeitszeit auf 12 Stunden müsse auch einen Rechtsanspruch der Arbeitnehmerschaft auf zusammenhängende Freizeitblöcke auf Basis der erarbeiteten Mehr- und Überstunden mit sich bringen. Bei den zusammenhängenden Freizeitblöcken sieht der schwarze Arbeitnehmervertreter zwei Möglichkeiten: Entweder einen zusammenhängenden Freizeitblock von mindestens einer ganzen Arbeitswoche pro Arbeitsjahr, oder zwei zusammenhängende Freizeitblöcke von mindestens 3 Arbeitstagen hintereinander pro Jahr.

Eine Gegenoffensive starten Wirtschaft und Industrie. Die Wirtschaftskammer hat bei "market" eine Umfrage in Auftrag gegeben, laut der 73 Prozent sagen, bereit zu sein, fallweise länger zu arbeiten. IV-Generalsekretär Christoph Neumayer meinte in einer Aussendung, es entstehe mittlerweile der Eindruck, dass es einzelnen Organisationen primär um den individuellen politischen Machterhalt und nicht um eine sachliche Lösung für Unternehmen und Beschäftigte gehe. Interessant sei dabei, dass sich gerade jene Teilgewerkschaften, bei denen ihre Mitglieder bereits teilweise die Möglichkeit hätten, zwölf Stunden zu arbeiten, besonders vehement dagegen einsetzen.

(APA)

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