Arbeitszeit: „Zwölf Stunden nur freiwillig“

ÖVP-Klubchef Wöginger verspricht Änderung.
ÖVP-Klubchef Wöginger verspricht Änderung.(c) APA/ROBERT JAEGER
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ÖVP und FPÖ wollen mit einer Änderung im Initiativantrag sicherstellen, dass Zwölf-Stunden-Tage nicht vom Arbeitgeber angeordnet werden können. Alle anderen Regelungen bleiben.

Wien. Was jetzt? Freiwillig mehr arbeiten oder nur ein Ablehnungsrecht für die elfte und zwölfte Arbeitsstunde bei triftigen Gründen? Der Initiativantrag der Regierungsparteien für ein neues Arbeitszeitgesetz sorgte seit seiner Präsentation vor einer Woche für Verwirrung (selbst bei IV-Präsidenten Georg Kapsch, der sich in einer TV-Diskussion mit den Zuschlägen nicht auskannte).

Jetzt aber will die Koalition eines klarstellen: „Zwölf Stunden Arbeit pro Tag wird es nur freiwillig geben“, betont ÖVP-Klubobmann August Wöginger im Gespräch mit der „Presse“. Der Arbeitnehmer muss also keine guten Gründe nennen, warum er keine elfte und zwölfte Stunde arbeiten kann, weil ihm seine Firma diese Zusatzstunden nicht anordnen kann.

Unverändert bleibe aber die bestehende Möglichkeit eines Unternehmens, Mehrarbeit bis zu zehn Stunden pro Tag anzuordnen, heißt es aus der Wirtschaftskammer. Pro Woche darf die angeordnete Mehrarbeit 50 Arbeitsstunden nicht überschreiten. In Ausnahmefällen kann ein Unternehmen auch jetzt schon zwölf Stunden pro Tag arbeiten lassen, das bedarf aber einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat.

Wöginger meint, dass es Arbeitnehmer gebe, die gern mehr arbeiten und vielleicht bereits am Freitag nach Hause gehen wollen. Daher wolle man diese Möglichkeiten im Arbeitszeitgesetz schaffen. Wichtig sei aber, dass zwölf Stunden nur dann erlaubt sind, wenn der Arbeitnehmer von sich aus länger arbeitet.

Die Zwölf-Stunden-Regelung hat in den vergangenen Tagen für die heftigsten Diskussionen gesorgt. Auch auf Regierungsebene war nicht klar, wie die Bestimmung auszulegen ist. Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) hatte erklärt, dass der Satz „Ich will nicht“ als Ablehnung nicht genügen werde. Vizekanzler, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache meinte dagegen in einem „ZiB 2“-Interview, diese Ansicht sei falsch. Es werde keinen Zwang bei Mehrarbeit bis zwölf Stunden geben.

Befragt, ob es angesichts der Debatten und Unklarheiten vielleicht klüger gewesen wäre, statt eines Initiativantrags im Parlament eine Regierungsvorlage in Begutachtung zu schicken, meinte Wöginger: „Wir haben uns ja schon lang mit dem Thema beschäftigt, das wurde schon vergangenes Jahr auf Sozialpartnerebene diskutiert.“ Es habe also Vorarbeiten gegeben, daher habe es „eine gewisse Logik“, einen Initiativantrag einzubringen.

Wie die ausdrückliche Freiwilligkeit im Gesetz festgeschrieben wird, darüber beraten derzeit die Juristen. Kommende Woche werde man die Änderung präsentieren.

Weitergehende Adaptierungen sind im Antrag derzeit nicht geplant, „es kann aber natürlich noch immer etwas kommen“, so der ÖVP-Klubchef.
Der Fahrplan für die Gesetzwerdung bleibt gleich. Der umfangreiche Initiativantrag soll noch im Juli vom Nationalrat beschlossen werden, das Gesetz könnte mit 1. Jänner 2019 in Kraft treten.

Daran stoßen sich SPÖ und Arbeitnehmervertreter. Man solle den Entwurf über den Sommer überarbeiten und im Herbst ins Parlament einbringen, meinte Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB. Das Festschreiben der Freiwilligkeit allein sei zu wenig, auch andere Bestimmungen müssten verändert werden.

Sondersitzung des Nationalrats

Die SPÖ will „mit allen Mitteln“ gegen den Plan vorgehen. Geplant ist eine Sondersitzung des Nationalrats zu diesem Thema in der kommenden Woche. SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder meinte, „Konzernkanzler Kurz und Arbeiterverräter Strache“ hätten die Gesetzesinitiative auf Wunsch von Wirtschaft und Industrie eingebracht. Inhaltlich sei es ein Lohn-, Freizeit- und Gesundheitsraub.

Die Wirtschaftskammer legte am Donnerstag eine „Market“-Umfrage vor, laut der 73 Prozent der Befragten bereit sind, fallweise länger zu arbeiten.

Auf einen Blick

Die Arbeitszeit kann nicht vom Unternehmen auf täglich zwölf Stunden ausgeweitet werden. Das wollen ÖVP und FPÖ mit einer Änderung des Initiativantrags sicherstellen, der das Arbeitszeitgesetz neu regelt. Erlaubt wird ein Zwölf-Stunden-Tag, wenn der Arbeitnehmer freiwillig mehr arbeiten will, um so zum Beispiel ein längeres Wochenende zu haben. Das Gesetz soll am 1. Jänner 2019 in Kraft treten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2018)

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