Schuldenkrise: Das Wunder von Athen

Athen soll am 20. August als letztes der Krisenländer den Euro-Rettungsschirm verlassen.
Athen soll am 20. August als letztes der Krisenländer den Euro-Rettungsschirm verlassen.(c) APA/AFP/SAKIS MITROLIDIS
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Nach acht Jahren und 450 Reformschritten wird Griechenland aus dem Rettungsprogramm entlassen. Langsam und mit einer letzten Hilfe soll es den Übergang zur Normalität schaffen.

Athen. „Es ist Zeit, dass Griechenland auf eigenen Füßen steht“, sagte EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici. Er beriet am Donnerstag mit den Finanzministern der Euroländer über einen historischen Schritt: Athen soll am 20. August als letztes der Krisenländer den Euro-Rettungsschirm verlassen. Jenen, wie dem ehemaligen deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble, die vor drei Jahren noch dem Ausscheiden des Landes aus dem Euro das Wort geredet haben, mag das als Wunder erscheinen. Aber Athen hat mittlerweile 450 Reformschritte umgesetzt, darunter Privatisierungen, Pensionskürzungen und eine Arbeitsmarktreform. Trotz Gegenwinds aus der eigenen Bewegung hat Regierungschef Alexis Tsipras das Land auf einen Sanierungskurs eingeschworen.

Noch einmal wird Athen unter die Arme gegriffen werden, um den Übergang in die Normalität zu schaffen. Die Euro-Finanzminister berieten über die Auszahlung der letzten Hilfstranche des seit 2015 laufenden dritten Rettungsprogramms sowie Schuldenerleichterungen. Nach wie vor ist Griechenland mit 178 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung verschuldet. Die Regierung in Athen und der Internationale Währungsfonds (IWF) wollten eine möglichst große Erleichterung. Vor allem Deutschland stand aber auf der Bremse.

Wende in der Haushaltsführung

Die Griechen hatten aber erstmals gute Karten bei diesem finalen Milliardenpoker. Vergangene Woche hat Tsipras das letzte Spar- und Reformpaket durch das Parlament geboxt und damit alle Auflagen der vierten und letzten Überprüfung des laufenden, bereits dritten Rettungsprogramms erfüllt. Die europäischen Finanzminister stimmte vor allem eine zentrale Messzahl optimistisch: Der primäre Budgetüberschuss, das heißt das Budgetplus ohne Abzug des Schuldendiensts, lag 2017 bei vier Prozent – doppelt so hoch wie das angepeilte Sparziel. Und auch dieses Jahr sieht es gut aus: Der angepeilte Überschuss von 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung wird nicht nur erreicht, sondern übererfüllt. Im vergangenen Jahr erreichte das Land sogar ein reguläres Budgetplus von 0,8 Prozent – das konnten nur wenige andere EU-Staaten vorweisen.

Aber in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres war mit 2,3 Prozent im Jahresvergleich auch ein erfreulich hohes Wirtschaftswachstum zu verzeichnen – und das noch vor der Tourismussaison, die wieder ein Rekordergebnis erwarten lässt. Griechenland hat sich wieder zur beliebtesten Reisedestination der Europäer entwickelt.

Nach dem eher schwachen Wachstum von 1,4 Prozent im Vorjahr ist das ein kräftiges Zeichen dafür, dass die griechische Wirtschaft die Krise hinter sich lässt und Fahrt aufnimmt. Und das ist auch für die Gläubiger ein gutes Zeichen: Denn je stärker die Wirtschaft wächst, desto leichter sind die Budgetvorgaben zu erfüllen. Athen muss bis 2022 ein primäres Budgetplus von 3,5 Prozent erwirtschaften. Das erfordert weitere Opfer von der Bevölkerung: 2019 werden Pensionen gekürzt. Ab 2020 wird die Steuerfreigrenze gesenkt.

Riskante Rückkehr auf Finanzmarkt

Das alles nutzt Athen jedoch wenig, wenn es keinen Zugang zu den Kapitalmärkten bekommt. 2017 und 2018 hat die Regierung bereits zweimal Anleihen zu relativ niedrigen Zinsen aufgenommen, doch im Zuge der Italien-Krise sind diese wieder gestiegen. Experten, wie etwa Griechenlands Zentralbankchef Giannis Stournaras, wünschten sich daher eine „vorsorgliche Kreditschiene“ der Europartner, um den Druck von Athen zu nehmen. Die Regierung Tsipras, aber auch die Gläubiger wollten davon nichts hören. Sie setzen auf einen „Polster“ von etwa 20 Milliarden Euro, der unter anderem aus den übrig gebliebenen Rettungsgeldern aufgebaut werden soll – nur ein Teil der ungenutzten Summe wird also in den Schuldendienst gehen.

Einen Schuldenschnitt, wie er immer wieder in den Raum gestellt wurde, haben die Kreditgeber verweigert. Am Donnerstag ging es bei den Finanzministern vor allem um sanfte Schuldenerleichterungen, die Athen die Rückzahlung der bisher 273,7 Milliarden Euro an Krediten aus drei Hilfsprogrammen erleichtern sollen.

Bereits vor dem Treffen waren Athen eine Auszahlung von Gewinnen der Zentralbanken aus griechischen Anleihen und eine Senkung der Zinsen älterer Rettungskredite in Aussicht gestellt worden. Umstritten waren eine weitere Stundung des Rückzahlungsbeginns und eine Streckung der laufenden Darlehen um bis zu 15 Jahre.

Während die Euroländer Griechenland den Übergang erleichtern wollen, dürfte sich der Internationale Währungsfonds nun endgültig aus den Programmen zurückziehen. Er wird nur noch beratend einwirken. Trotz aller Erfolge muss Athen auch weiterhin Kontrollen seiner Haushaltsführung akzeptieren. Viermal im Jahr werden die Prüfer der Geldgeber-Institutionen durch die griechischen Bücher gehen und kontrollieren, ob die Programmziele auch künftig eingehalten werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2018)

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