Die Frau, die immer schon an die Spitze wollte

Beate Meinl-Reisinger
Beate Meinl-ReisingerAPA/GEORG HOCHMUTH
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Bei der ÖVP war sie frustriert, nun führt Beate Meinl-Reisinger die Oppositionspartei Neos an.

Irgendwann, so sinnierte Matthias Strolz vor einigen Monaten in kleiner Runde, werde er als Neos-Chef abtreten. Auf die Frage, ob er für diesen Fall schon einen Nachfolger im Kopf habe, betonte er, es könne ja auch eine Nachfolgerin sein.

Gemeint war die bisherige Wiener Neos-Chefin, Beate Meinl-Reisinger. Dass sie nach dem nun überraschend frühen Abgang von Strolz das pinke Erbe auf Bundesebene antritt, ist wenig verwunderlich. Ein Zug zum Tor wird ihr von Wegbegleitern ebenso attestiert wie der Wunsch, in der ersten Reihe zu stehen. Strolz soll sie intern sogar auch als „Rampensau“ bezeichnet haben.

Einen Hang zur Bescheidenheit kann man Meinl-Reisinger tatsächlich schwer unterstellen. Hatte sie – als Anführerin der Wiener Sechs-Prozent-Landespartei – doch erklärt, den Bürgermeistersessel anzustreben. Meinl-Reisinger sagt aber, was sie denkt. In internen Sitzungen hatte sie schon bisher keine Hemmungen, Vorgänger Strolz auch einmal zu widersprechen. In öffentlichen Reden kann sie ebenfalls emotional werden, wenn es darum geht, die Regenten zu geißeln.

Doch selbst ihre emotionalen Reden wirken kalkulierter, dafür aber auch weniger überraschender und kreativer als jene von Strolz. Doch Meinl-Reisinger ist eine politische Strategin. Sie ist eine, die Dinge ungern dem Zufall überlässt. Die Juristin und verheiratete Mutter zweier Töchter weiß genau, wann sie was sagt. Und sie weiß, dass sie als Vertreterin einer Kleinpartei laut sein muss, um aufzufallen. Im Wiener Wahlkampf 2015 ließ sie den für Neos-Verhältnisse fast populistischen Spruch „G'scheite Kinder statt g'stopfte Politiker“ plakatieren.

Gleichzeitig ist sie bemüht, nicht zu sehr anzuecken. Ausflüge in die Esoterik oder Kastaniengedichte wie beim Vorgänger darf man von der 40-Jährigen nicht erwarten. Sie will mit ihrem Polit-Stil in der politischen Mitte die Stimmen jener gewinnen, denen die türkis-blaue Regierung zu rechts, die anderen Oppositionsparteien aber zu links sind. Und dabei thematisch die klassischen Neos-Themen wie Bildung oder Staatsreformen vorantreiben.


Zweiter politischer Weg. Dabei hätte alles anders kommen sollen. Meinl-Reisinger wollte in der ÖVP Karriere machen. Sie war im Kabinett von Staatssekretärin Christine Marek und später politische Referentin in der ÖVP Wien. Da sie in der Volkspartei zu wenig Reformwillen ortete, suchte Meinl-Reisinger nach Alternativen. Und fand sie bei den Neos – die Wienerin ist seit der Gründung 2012 dabei. Ein Jahr später zog sie in den Nationalrat ein, um zwei Jahre später in den Wiener Gemeinderat zu wechseln.

Nun will sie es als Neos-Chefin wieder im Bund wissen, ab Herbst auch als Klubobfrau im Nationalrat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2018)

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