Wieder neue Missbrauchsfälle in Deutschland und den Niederlanden.
Berlin/Rom (e.m., pk). Georg Ratzinger, der frühere Domkapellmeister der „Regensburger Domspatzen“ und Bruder von Papst Benedikt XVI., hat selbst in den 70er Jahren Ohrfeigen verteilt. Das sagte er der „Passauer Neuen Presse“. Zugleich distanzierte er sich von den Prügel-Orgien des damaligen Internatsleiters: „Wenn ich gewusst hätte, mit welcher Heftigkeit er vorging, hätte ich schon damals etwas gesagt.“ Von sexuellem Missbrauch bei den „Domspatzen“ habe er nichts gewusst.
In der Affäre um den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen hat der Vatikan am Dienstag die deutschen und die österreichischen Bischöfe in Schutz genommen. In einer Stellungnahme über Radio Vatikan erklärte Pressesprecher Federico Lombardi, die beiden Bischofskonferenzen hätten das Problem „auf richtige Weise“ angepackt und eine neue Vorbeugungsstrategie entworfen, „um alles dafür zu tun, dass sich ähnlich schwere Taten nicht wiederholen“.
Gleichzeitig betonte er: „Die Anklagen allein auf die Kirche zu konzentrieren, verfälscht die Sichtweise. Für denselben Zeitraum, in dem etwa in Österreich 17 Missbrauchsfälle den kirchlichen Institutionen zuzurechnen waren, registrierten die zuständigen Autoritäten 510 Fälle in anderem gesellschaftlichen Umfeld.“
Kirche mahnt zur Selbstanzeige
Die deutsche Bischofskonferenz hat den staatlichen Behörden bei der Verfolgung der Missbrauchsfälle volle und vorbehaltlose Unterstützung zugesagt. Ein Novum: Geistliche werden zur Selbstanzeige aufgefordert, wenn Anhaltspunkte für eine Tat vorliegen.
In den benachbarten Niederlanden weitet sich der Missbrauchsskandal ebenfalls aus: Erstmals werden neben Priestern auch Nonnen beschuldigt, sich an Buben vergangen zu haben. Bisher haben sich in den Niederlanden mehr als 200 Missbrauchsopfer bei den Behörden gemeldet.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2010)