BVT-U-Ausschuss: Akten "ungenügend" und "überzogen geheim"

APA/HELMUT FOHRINGER
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Die Opposition bemängelt, es seien nicht genügend Akten an den BVT-U-Ausschuss geliefert worden. Darüber hinaus seien 90 Prozent der vorliegenden Akten als zu geheim eingestuft. Die Reaktionen der Regierung fallen unterschiedlich aus.

Die Oppositionsparteien SPÖ, Neos und Liste Pilz haben am Montag die Aktenlieferungen an den BVT-Untersuchungsausschuss als "ungenügend" und "überzogen geheim" eingestuft kritisiert. Peter Pilz warf Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) "gezielte Sabotage" vor. Laut SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer will man nun in der Präsidiale eine Lösung erreichen - dafür braucht man aber die Regierungsparteien.

Wie das Parlament vergangene Woche bekannt gegeben hat, haben von den 32 zur Aktenlieferung aufgeforderten Stellen insgesamt nur 13 Unterlagen übermittelt. Mit 68.000 Seiten ist es auch deutlich weniger Material als bei früheren Untersuchungsausschüssen. Die Aktenlieferungen seien teilweise "sehr spät" und vor allem "ungenügend" erfolgt, ärgerte sich Krainer. Teilweise gebe es auch Schwärzungen, etwa Sachbearbeiter in Innenministeriums-Akten, weshalb die Ersteller von Dokumenten nicht als Zeugen geladen werden können.

Die Opposition will nun eine Sonderpräsidiale einberufen, denn es gibt die Möglichkeit, im Konsens aller Fraktionen die Akteneinstufung zu verändern. Krainer geht davon aus, dass auch ÖVP und FPÖ die vorliegenden Einstufungen "ein bisschen lächerlich finden". Zudem wird man in einer U-Ausschuss-Sitzung in der ersten Juli-Woche ein weiteres Mal Aktenlieferungen begehren. Zur Not steht der Weg zum Verfassungsgerichtshof offen.

90 Prozent der Akten als zu geheim eingestuft

Um dem Problem der Schwärzungen entgegenzuwirken, wurde eigentlich vor ein paar Jahren eine "Informationsordnung" erlassen, die es den Ministerien erlaubt, sensible Akten in verschiedene Geheimhaltungsstufen einzuteilen, die dann auch entsprechend zu behandeln sind. Allerdings dürfte von dieser Möglichkeit jetzt ziemlich ausufernd Gebrauch gemacht worden sein, wie die Opposition kritisiert: 90 Prozent jener Akten, die "klassifiziert" wurden, seien zu hoch eingestuft. Vor allem das Innenministerium habe Erklärungsbedarf.

So seien absurderweise etwa Pressespiegel als "vertraulich" (Stufe 2) eingestuft worden. Damit würden Zeitungsartikel "so geheim, dass ich mich vielleicht strafbar mache, wenn ich sie herzeige", meinte Krainer, und tat gleichzeitig ebendies. Unter Stufe 3, "geheim", fänden sich juristische Abkürzungsverzeichnisse und ebenfalls Medienberichte, zudem wurden auch Akten als "streng geheim", der höchsten Stufe, geliefert. Die Staatsanwaltschaft habe freilich teilweise dieselben Akten als lediglich "eingeschränkt" (Stufe 1) klassifiziert, erklärte Krainer.

Das Problem: "Eingeschränkte" Akten dürfen nach einem Ausschuss-Beschluss auch in medienöffentlicher Sitzung verwendet werden, ab Stufe zwei geht das prinzipiell nicht. Zudem können die Abgeordneten Dokumente ab der vertraulichen Stufe nur mehr händisch und nicht elektronisch durchsuchen, was die Arbeit massiv erschwert, wie Pilz ausführte.

Unterschiedliche Reaktionen von ÖVP und FPÖ

Recht unterschiedlich haben die beiden Regierungsfraktionen auf die Oppositionsforderung reagiert, gegen die restriktive Klassifizierung von Akten für den BVT-U-Ausschuss in einer Sonderpräsidiale des Nationalrats initiativ zu werden. Während sich die ÖVP gesprächsbereit zeigte, kam von der FPÖ ein klares Nein.

Aus dem ÖVP-Klub hieß es, dass man für Transparenz eintrete und Aufklärung ermöglichen wolle. Gleichzeitig müssten aber schutzwürdige Interessen der Republik gewahrt bleiben. Die Opposition solle konkrete Vorschläge machen, um welche Akten es gehe. Die Entscheidung liege dann in den Händen des Parlaments.

Sehr ablehnend reagierten hingegen die Freiheitlichen: U-Ausschuss-Fraktionsführer Hans-Jörg Jenewein betonte, dass für die FPÖ eine Aufweichung der Vertraulichkeitsstufen keinesfalls infrage komme. "Seit Wochen tun die Oppositionsparteien so, als fürchteten sie um die Sicherheit in Österreich. Mit der Forderung nach niedrigerer Klassifizierung von Unterlagen aus dem BMI gefährden sie jedoch genau diese, die durch die Anwendung der Normen des Informationssicherheitsgesetzes gewährleistet werden soll", betonte er.

"Angriff und Überfall aufs BVT geplant"

Weitere Ärgernisse aus Sicht der Opposition: Der Rechtsschutzbeauftragte des Innenministeriums habe gar nichts geliefert, der Strafakt der Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sei nicht vollständig ans Parlament gegangen, und zur Vorbereitung der umstrittenen Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung läge auch kaum etwas vor. Für Neos-Mandatarin Stephanie Krisper ist das "völlig unglaubwürdig". Es könne ihm niemand erzählen, dass so eine Aktion mündlich vorbereitet wurde, meinte auch Pilz. So fehlten etwa die Akten aus dem Kabinett des Innenministers und dem Büro seines Generalsekretärs Peter Goldgruber.

Der Listengründer glaubt vielmehr, dass schon Wochen vor der Hausdurchsuchung von der FPÖ ein "Angriff und Überfall aufs BVT geplant" worden sei, um "einen großen Säuberungsvorgang mit dem Ziel der Umfärbung" einzuleiten. Die unvollständige Aktenlieferung und die "vollkommen willkürliche" Klassifizierung seien eine "gezielte Sabotage des Untersuchungsausschusses durch Kickl und Goldgruber". Das Innenministerium selbst hatte am Sonntag in einer Aussendung betont, "sämtliche, zu den Beweisthemen des BVT-Untersuchungsausschusses verfügbare Unterlagen" ans Parlament übermittelt zu haben.

Aktuelle Medienberichte, etwa jenen aus dem "Kurier" (Montag-Ausgabe), bestätigten die Abgeordneten - eben aus Geheimhaltungsgründen, wie sie sagten - nicht. Nur so viel: Man könne so ziemlich alle Medienberichte zur BVT-Causa in den Akten nachvollziehen. Laut "Kurier" beklagte die Oberstaatsanwältin in einem Aktenvermerk kurz vor der Hausdurchsuchung beim BVT Zeitdruck aus Kickls Kabinett, zudem soll das Kabinett finanzielle Hilfe für die Ermittlungen angeboten haben. In einem anderen Aktenvermerk befürchtet die Staatsanwältin, dass die Sicherheit der sichergestellten Daten des BVT bei der WKStA nicht gegeben sein könnte.

(APA)

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