ÖBB: Bahn hat ab Sommer neue Führung

Der ÖBB-Aufsichtsrat bestellte am Dienstag Verbund-Vorstand Christian Kern zum neuen Bahn-Chef. Kern wird am 7. Juni sein Amt bei der Staatsbahn antreten. Unverändert bleibt aber die politische Farbenlehre in der Staatsbahn.

Wien (jaz). Nach viereinhalb Stunden war mit der Wahl des neuen Bahn-Chefs der wichtigste Punkt der ÖBB-Aufsichtsratssitzung am gestrigen Dienstag abgehakt. In zwei zeitlich aufeinander abgestimmten Aussendungen bestätigten ÖBB-Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker und Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ), was „Die Presse“ mehrmals berichtet hatte: Verbund-Vorstand Christian Kern wird neuer Bahn-Chef und Franz Seiser, Chef der ÖBB-Tochter „Technische Services“, zieht neu in den ÖBB-Vorstand ein.

Kern wird seinen Job bei den ÖBB am 7. Juni antreten. Nach einer kurzen Übergangsphase wird er dann ab Mitte des Sommers die operative Führung bei der Bahn von Noch-ÖBB-Chef Peter Klugar übernehmen. Klugars Vertrag läuft zwar erst per Jahresende aus, er soll dem Vernehmen nach jedoch noch „viel Resturlaub“ haben. Der 60-Jährige hat zusätzlich zu seinem Vorstandsmandat noch einen ÖBB-Dienstvertrag, von dem er zurzeit karenziert ist. Allgemein wird jedoch erwartet, dass er das Unternehmen verlassen wird.

Unveränderte Farbenlehre

Ab dem Sommer ist der Vorstand der heimischen Staatsbahn somit nahezu vollständig umgekrempelt. Denn mit 1. April wird Seiser Noch-Vorstand Gustav Poschalko ersetzen. Poschalko, dessen Vertrag ebenfalls mit Ende des Jahres ausläuft, wechselt in die Aufsichtsräte der beiden ÖBB-Töchter für Personen- und Güterverkehr. Nur der dritte Vorstand, der für Finanzen zuständige Josef Halbmayr, bleibt auch weiterhin im Führungsgremium der Bahn.

Unverändert bleibt aber auch die politische Farbenlehre in der Staatsbahn. Sowohl Kern als auch Seiser werden der SPÖ zugerechnet, wie zuvor Klugar und Poschalko. Nur Halbmayr gilt als Mann der schwarzen Reichshälfte. Dies dürfte auch die Kritik des ÖVP-Verkehrssprechers Ferdinand Maier an der fehlenden Verschlankung der ÖBB-Spitze auf zwei Vorstände erklären. Diese Verschlankung sei mit Bures bereits ausgemacht gewesen, so Maier.

Die Ministerin selbst ist über ihre eigene Personalbesetzung naturgemäß erfreut. Die ÖBB seien dadurch „strukturell und personell für die großen Herausforderungen gut aufgestellt“, so Bures in ihrer Aussendung. Wie berichtet, stammt der Wunsch, dass Kern die ÖBB-Spitze übernehmen soll, aus den hohen Parteigremien der SPÖ.

Der Job des ÖBB-Chefs wurde diesmal übrigens auch ohne eigene Ausschreibung vergeben. Möglich gemacht hat das die „zufällige“ Erklärung von Klugar Ende der vergangenen Woche, nicht mehr für eine weitere Amtsperiode zur Verfügung zu stehen. Dadurch konnten beide vakanten Vorstandsposten aus der derzeit laufenden Ausschreibung für den Nachfolger von Poschalko besetzt werden.

Kern meinte in einer ersten Stellungnahme, dass er die ÖBB „aus der tagespolitischen Diskussion bringen“ will. „Die ÖBB sind einer der Leitbetriebe der österreichischen Wirtschaft. Mein Ziel ist es, dass die Österreicher wieder stolz auf ihre Bahn sind.“ Positiv aufgenommen wurde seine Bestellung an die Spitze der ÖBB auch von der Industriellenvereinigung. Deren Präsident Veit Sorger meinte: Kern habe sich beim Verbund als „Manager ein klares Profil erarbeitet, das ihn auf die neuen Herausforderungen zweifellos gut“ vorbereitet habe.

Aufsichtsrat beriet über Steuern

Neben den Personalentscheidungen standen beim ÖBB-Aufsichtsrat aber auch andere wichtige Themen auf der Tagesordnung. So beriet das Gremium über die von der Finanz für verbilligte Fahrkarten für ÖBB-Mitarbeiter geforderten Abgabennachzahlungen und die nicht gesetzeskonforme Abrechnung von Pflegegeldern für ÖBB-Pensionisten. ÖVP-Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka forderte dafür zuletzt rund eine Milliarde Euro von der Bahn. Laut Pöchhacker würde eine Forderung in dieser Größenordnung die Staatsbahn in „ernste wirtschaftliche Probleme“ bringen.
Meinung Seite 27

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2010)

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