"Die ÖBB haben immer noch ein Qualitätsproblem"

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Laut neuem ÖBB-Vorstand Seiser braucht die Bahn vor allem mehr moderne Waggons: "Man kann nicht versuchen, mit einem Waggon Baujahr 1956 Topqualität zu bringen.“ Er setzt dabei vor allem auf den Railjet.

Wien. Seit Dienstag hat Franz Seiser einen neuen Job: ÖBB-Vorstand .„Die Presse“ sprach mit ihm noch in seiner alten Funktion – als Geschäftsführer der ÖBB-Tochter „Technische Services“. Und dabei fand der Manager klare Worte, wenn es um die „Marktreife“ der heimischen Staatsbahn geht: „Die ÖBB haben immer noch ein Qualitätsproblem.“ So sei beispielsweise eine weitere Verjüngung der Personenwaggons dringend notwendig. „Man kann nicht versuchen, mit einem Waggon Baujahr 1956 Topqualität zu bringen.“

Seiser setzt dabei vor allem auf den neuen Fernverkehrszug Railjet, der seit 2008 von den „Technischen Services“ in Zusammenarbeit mit Siemens gebaut wird. „Der Railjet wurde von den ÖBB eigens für unsere Bedürfnisse konzipiert“, sagt Seiser. Daher verstehe er auch die von Fahrgastvertretern immer wieder geäußerte Kritik an dem Zug nicht. Er biete den Fahrkomfort eines modernen Hochgeschwindigkeitszuges bei „rund 35 Prozent geringeren Investitions- und Wartungskosten als beim deutschen ICE“. Dieser könne zwar schneller fahren, auf den heimischen Strecken sei aber auch nach vollendetem Ausbau die Höchstgeschwindigkeit von 230 Kilometern pro Stunde ausreichend.

Der Railjet soll den ÖBB auch helfen, künftig vermehrt Umsätze im Ausland zu erzielen. „Wir haben immer wieder Vertreter von osteuropäischen Bahnen da, die am Railjet sehr interessiert sind.“ Bislang habe es aber noch keine konkreten Aufträge gegeben. „Zurzeit liegt in diesen Ländern das Geld halt nicht auf der Straße“, meint Seiser.

Veränderte Arbeitsmoral

Derzeit erzielen die „Technischen Services“ rund zehn Prozent ihres Umsatzes von 400 Mio. Euro im Ausland. Bis zum Jahr 2014 sollen die internationalen Umsätze auf 100 Mio. Euro ansteigen. Die ÖBB-Tochter wartet dabei vor allem „Taurus“-Loks und die Achsen von Güterwaggons für ausländische – meist private – Bahngesellschaften. Diese zahlen in der Regel pro mit der Lok gefahrenem Kilometer eine Gebühr, dafür erledigen die „Technischen Services“ sämtliche Wartungsarbeiten und Reparaturen.

Diese „Fahrtüchtigkeitsgarantie“ brachte laut Seiser auch bei den Mitarbeitern eine veränderte Arbeitsweise. „Reparaturen werden nun gemacht, wenn der Kunde sie benötigt. Und nicht dann, wenn der Mitarbeiter Zeit hat“, sagt Seiser.

Aber auch die technische Ausstattung der Werkstätten wurde in den vergangenen Jahren auf Vordermann gebracht. „Vor einigen Jahren hatten wir im Verhältnis zu den Schweizer Bundesbahnen noch sehr veraltete Werkstätten. Da ist inzwischen schon sehr viel passiert.“ Inzwischen gibt es neue Anlagen, in denen auch Züge mit Längen von über 150 Metern am Stück repariert werden können. Die Arbeitsproduktivität habe dadurch seit 2005 um 30 Prozent zugelegt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2010)

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