EU-Kommission und französische Regierung lehnen Sammelzentren außerhalb der EU ab, in die abgelehnte Asylwerber ohne klaren weiteren Plan gebracht werden sollen.
Bundeskanzler Sebastian Kurz findet mit Ausnahme von Dänemark vorerst wenig Unterstützung für seine Idee, Rückführungslager außerhalb der EU zu installieren. Obwohl er selbst von einer „positiven Bewegung in der Debatte“ während des Minigipfels in Brüssel am vergangenen Sonntag gesprochen hatte, äußerten sich danach sowohl die Kommission als auch die französische Regierung negativ. Aus der EU-Kommission hieß es, die Einrichtung solcher Sammellager wäre illegal. Abgelehnte Asylwerber müssten in ihre Heimatländer zurückgebracht werden „und keinesfalls in Transitländer“ (so wie es Kurz vorgeschlagen hatte), resümierte Frankreichs Präsident, Emmanuel Macron, nach dem Gipfel.
In Brüssel verwarf die Kommission die Idee von Kurz und dem dänischen Ministerpräsidenten, Lars Løkke Rasmussen. Die 16 EU-Chefs hätten am Sonntag in Brüssel drei Optionen diskutiert, so eine Sprecherin der Kommission am Montag. Erstens sei es um „regionale Abkommen mit nordafrikanischen Mittelmeerstaaten“ gegangen, „um eine wirksame Abstimmung der Rettungsoperationen zu garantieren“. In diesem Modell würden die Passagiere jedes in internationalen Gewässern außerhalb der EU geretteten Schiffs in besagte Länder gebracht. Dort würden jene, die kraft ihrer Herkunft eine große Chance auf Asyl in der EU haben, von der UN-Flüchtlingsagentur UNHCR nach Europa gebracht und mittels eines Verteilungsschlüssels auf die Mitgliedstaaten aufgeteilt, wie das jetzt schon im Rahmen des Resettlement-Verfahrens praktiziert wird. Die Internationale Migrationsorganisation IOM wiederum würde die geretteten Migranten, die keinen Asylanspruch erwarten können, auf freiwilliger Basis in ihre Herkunftsländer zurückbringen. Auch dies findet in kleinem Umfang bereits statt.
Was tun mit gestrandeten Migranten?
Das zweite Modell sähe regionale Abkommen zwischen den mediterranen Unionsmitgliedern vor, „damit es mehr Vorhersehbarkeit gibt, wenn es um die Aufnahme von Rettungsschiffen geht“, sagte die Kommissionssprecherin. Auch hier ginge es darum, so rasch wie möglich festzustellen, wer Asylschutz braucht und wer nicht. Hier könnte die EU-Grenz- und Küstenwache Frontex sowie das EU-Asylamt EASO an den Landepunkten zum Einsatz kommen – auf europäischem Boden, wohlgemerkt. Notwendig dafür ist eine Ausweitung des Mandats von Frontex und EASO.
Die dritte diskutierte Option bestünde in Vereinbarungen, „Lager in Drittländern zu gründen, in die Menschen, die bereits in die EU gekommen sind, zurückgeschickt werden können“. Diese wurde jedoch, nachdem sie von Rasmussen vorgebracht worden war, „definitiv abgelehnt, weil sie nicht mit EU-Recht und Völkerrecht in Sachen Asyl im Einklang ist“, hielt die Sprecherin fest. Ein wesentliches Problem liegt in der fehlenden Antwort auf die Frage, was mit den Menschen geschehen soll, die sich in den Lagern ansammeln (Albanien wird als Kandidat lanciert). Es wird befürchtet, dass eine wachsende Zahl an diesen Migranten weder in die EU noch zurück in ihre Heimat gebracht werden kann.
Neuer Konflikt um Flüchtlingsschiff
Indessen sind sich auch die restlichen Länder über die angeführten Lösungsvorschläge weitgehend uneins. Italien fordert eine Reform der Dublin-Verordnung, durch die das Erstaufnahmeland derzeit die größte Last zu tragen habe. Wie der jüngste Fall des Rettungsschiffs Lifeline mit 230 Migranten an Bord belegt, macht Italien seine Häfen derzeit dicht. Auch Spanien, das zuletzt ein Schiff mit über 600 Personen aufgenommen hatte, lehnte die Aufnahme diesmal ab. Frankreichs Europaministerin, Nathalie Loiseau, sprach sich zwar für eine Entlastung der Hauptaufnahmeländer Italien und Griechenland aus, betonte aber am Montag, dass es völkerrechtlich derzeit eindeutig sei, dass Italien Rettungsschiffe wie die Lifeline aufnehmen müsse. Es sei der nächstgelegene Hafen zuständig, und das sei in diesem Fall ein italienischer gewesen.
Italiens Ministerpräsident, Giuseppe Conte, lehnt den französisch-spanischen Vorschlag ab, geschlossene Erstaufnahmelager auf EU-Boden einzurichten. In diesen sollte schnell die Auswahl getroffen werden, wer Chancen auf Aufnahme hat und wer zurückgeschickt wird. „Das ist eine Lösung, die kooperativ ist und das Recht achtet“, argumentierte Macron. Die Italiener hingegen befürchten, dass auf diese Weise Italien zu einem einzigen Flüchtlingslager würde.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2018)