Devlet Bahçeli, der rechtsextreme Königsmacher aus Osmaniye

Devlet Bahçeli, Chef der radikalen MHP.
Devlet Bahçeli, Chef der radikalen MHP. (c) REUTERS (STOYAN NENOV)
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Devlet Bahçeli, Chef der nationalistischen MHP, drängte Präsident Erdoğan zu Neuwahlen und ging mit ihm ein Bündnis ein. Die Rechnung ging auf. Die Regierung ist im Parlament nun auf die MHP angewiesen.

Istanbul. Bis zum Sonntag war Devlet Bahceli in vielen politischen Kreisen der Türkei so etwas wie eine Witzfigur. Der 70-jährige hatte seinen Verbündeten, Präsident Recep Tayyip Erdoğan, zu vorgezogenen Neuwahlen gedrängt, doch dann sagten die Umfragen einen katastrophalen Absturz für Bahçelis Partei der Nationalen Bewegung (MHP) voraus. Bahçeli hatte schon einmal mit vorgezogenen Neuwahlen sein eigenes Grab geschaufelt: Im Jahr 2002 war die MHP nach einem von Bahçeli angeregten Urnengang aus dem Parlament geflogen.

Doch diesmal zahlte sich Bahçelis Taktik aus. Die MHP behauptete sich am Sonntag mit 11,2 Prozent der Stimmen und wurde zu einer „Schlüsselpartei“, wie Bahçeli selbst sagte. Erdoğan braucht die MHP ab sofort für Mehrheiten im Parlament – und plötzlich steht Bahçeli als Meisterstratege und Königsmacher da. Seit mehr als 20 Jahren führt der aus dem südtürkischen Osmaniye stammende Bahçeli die MHP, die politische Heimat der berüchtigten Extremisten der „Grauen Wölfe“. Von 1999 an fungierte Bahçeli drei Jahre als Vizepremier in einer Koalitionsregierung unter dem Sozialdemokraten Bülent Ecevit, bevor er nach der Wahlschlappe seiner Partei ein halbes Jahrzehnt am Rand des Politbetriebes ausharren musste. Als er 2007 ins Parlament zurückkehrte, trat er zunächst als Gegner Erdoğans auf.

Doch das hat sich geändert. Eine innerparteiliche Revolte führte zur Spaltung der MHP und zwang Bahçeli zu einem Bündnis mit Erdoğan, um sein eigenes politische Überleben zu sichern. Im Präsidentschaftswahlkampf unterstützte die MHP nun die Kandidatur Erdoğans und durfte im Gegenzug ihre Politiker im Schutz einer Listenverbindung mit der Erdoğan-Partei ins Parlament bringen. Für Bahçeli hat sich das Manöver gelohnt: Die MHP kann nun mit ihren 49 Abgeordneten versuchen, die Erdoğan-Partei AKP im Parlament politisch nach rechts zu schieben, weil die AKP keine eigene Mehrheit hat.

Bahçeli, der in seiner Freizeit Oldtimer sammelt und elf Wagen in der Tiefgarage des MHP-Hauptquartiers in Ankara geparkt hat, steht für eine strikt anti-kurdische und anti-westliche Politik. So lehnt er die Aufhebung des Ausnahmezustandes ab, der den Behörden die Verfolgung politischer Gegner erleichtert. Erdoğan hatte dagegen die Rückkehr zu normalen rechtlichen Verhältnissen angekündigt.

Interessenkonflikte zwischen MHP und Erdoğans AKP sind also unausweichlich. Bahçeli könnte versucht sein, die Partei des Präsidenten vor sich herzutreiben, denn erste Analysen des Wahlausgangs vom Sonntag lassen den Schluss zu, dass die MHP zum Auffangbecken für unzufriedene AKP-Wähler geworden ist. Möglicherweise sieht der Polit-Veteran Bahçeli die Chance, den Stimmenanteil für seine Partei noch weiter zu erhöhen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2018)

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