Aus der berechtigten Kritik an der Wirtschaftspolitik Chinas wird zunehmend ein globaler Handelskrieg. Harleys aus Indien sind da noch die geringste Folge.
Eine Harley-Davidson sollte niemals in einem anderen Land als den USA hergestellt werden. Niemals! Wenn sie weggehen, wird das der Anfang von ihrem Ende sein. Sie werden so stark besteuert werden, wie noch nie zuvor.“
Es sind wieder einmal harsche Worte, die US-Präsident Donald Trump am Dienstag auf Twitter äußerte. Nur das Ziel war diesmal ungewöhnlich. Denn noch vor wenigen Monaten hatte Trump Harley-Davidson als „uramerikanisch“ gelobt. Doch mit seiner jüngsten Ankündigung hat sich der Motorradhersteller den Ärger Trumps zugezogen. Am Montag gab Harley-Davidson bekannt, dass aufgrund der Strafzölle von 31 Prozent in Europa verkaufte Motorräder künftig nicht mehr aus den USA kommen werden. Stattdessen soll die Produktion in Brasilien, Thailand oder Indien ausgebaut werden.
Für Trump ein unverständliches „Hissen der weißen Flagge“. Dass der wirtschaftlich nicht gerade solide dastehende Motorradhersteller seit Monaten vor einer Verschärfung des Handelskonflikts warnt und seinen Schritt auch genau begründet, ficht den Präsidenten dabei nicht an. Um rund 1900 Euro werde eine Harley aus US-Produktion für europäische Käufer teurer, so das Unternehmen. Ein Betrag, der weder durch Preiserhöhungen auf dem Markt durchzusetzen sei, noch von Harley-Davidson selbst geschluckt werden könne.
Das Beispiel Harley-Davidson macht auf plastische Weise verständlich, was Ökonomen seit Langem predigen: Ein mit Strafzöllen geführter Handelskrieg schädigt die Wirtschaft und vernichtet Arbeitsplätze. Und das in allen davon betroffenen Ländern. Dass die westliche Welt trotz dieses Wissens gerade in einen solchen Handelskrieg hineinstolpert, ist daher eine Entwicklung, deren ganze Tragik wohl erst im Rückblick klar wird.
Jene Europäer, die keine Harley-Davidsons kaufen, könnten nun trotzdem versucht sein, das Ganze hämisch zu kommentieren. Hatte Trump nicht versprochen, Amerika „great again“ zu machen? Und wollte er nicht Jobs „nach Hause holen“? Und nun muss eine Ikone des „Born in the USA“ die Produktion nach Indien verlagern? Geschieht ihm recht!
Doch diese Schadenfreude könnte schon bald im Hals stecken bleiben. Denn eine Ausweitung der gegenseitigen Strafzölle dürfte durch die symbolhafte Entscheidung von Harley-Davidson wahrscheinlicher geworden sein. Und während die Strafzölle auf Stahl und Aluminium für Europas Wirtschaft noch geringes Gewicht hatten, sieht es bei Trumps nächstem Ziel ganz anders aus: der europäischen Autoindustrie.
Sollten die geplanten Strafzölle auf europäische Autos wirklich kommen, träfe das mit Deutschland die Konjunkturlokomotive des Kontinents ins Mark. Ein vorzeitiges Ende der aktuellen Hochkonjunktur könnte laut Ökonomen die Folge sein.
Die aktuelle Eskalation zwischen den USA und der EU mutet angesichts der ursprünglichen Zielrichtung von Trumps Strafzöllen noch unverständlicher an. Denn im März erklärte Trump die Zölle noch mit seiner Kritik an Chinas Wirtschaftspolitik. Und diese ist durchaus berechtigt. So verlangt Peking mittels Joint-Venture-Pflicht nach wie vor, dass westliche Firmen Technologie preisgeben, wenn sie Zugang zum chinesischen Markt haben wollen. Eine Vorgangsweise, die angesichts der Entwicklung Chinas während der letzten Jahre nicht mehr zu begründen ist.
Laut Medienberichten will Trump daher die Übernahme von Technologiefirmen durch chinesische Unternehmen gesetzlich erschweren. Das entspricht zwar auch nicht dem Gedanken einer freien Ökonomie, ist aber angesichts der staatlich kontrollierten Wirtschaft Chinas durchaus zu argumentieren.
Keine richtige Antwort auf die chinesische Staatswirtschaft ist es jedoch, einen Handelskrieg anzuzetteln, der auch zwischen den westlichen Ländern untereinander eskaliert. Das sorgt am Ende nur für höhere Preise und weniger Jobs. Es wäre gut für die gesamte Welt, wenn sich diese Erkenntnis endlich auch im Weißen Haus durchsetzte.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2018)