Gefährdet der 12-Stunden-Tag jetzt auch die Feuerwehren?

Freiwillige Feuerwehr
Freiwillige FeuerwehrDie Presse (Clemens Fabry)
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Das Ehrenamt sei in Gefahr, schreibt die Gewerkschaft vida in einer Aussendung. Stimmt nicht - die Arbeitszeitflexibilisierung habe sogar Vorteile für das Vereinsleben, kontert die Wirtschaftskammer.

In der Debatte um den 12-Stunden-Tag gehen die Wogen hoch. Während Bundeskanzler Sebastian Kurz zur Sachlichkeit aufruft, richten sich Gewerkschaft und Wirtschaftskammer in Presseaussendungen aus, was sie voneinander halten. So warnte die Gewerkschaft vida am Mittwoch davor, dass die 60-Stunden-Woche das Vereinsleben und das ehrenamtliche Engagement in den Freiwilligen Feuerwehren gefährdet. vida-Chef Roman Hebenstreit rief die Feuerwehr-Verbände auf, am 30. Juni in Wien mit zu demonstrieren.

"Die ehrenamtlichen Helfer bei den Freiwilligen Feuerwehren stehen allesamt im realen Arbeitsleben. Das Angebot der Regierung, diese Pseudo-Freiwilligkeit als Entschärfung ins Gesetz zu schreiben, muss daher wie Verhöhnung und Farce auf sie wirken", kritisiert der vida-Gewerkschafter Roman Hebenstreit. Dass die "Freiwilligkeit" ins Gesetz aufgenommen werde, daran ändere sich nicht: "Welcher arbeitende Mensch in der Privatwirtschaft kann sich dem 'Wunsch' seines Chefs nach Überstunden schon 'freiwillig' entziehen?"

In die gleiche Kerbe schlägt auch der niederösterreichische SPÖ-Chef Franz Schnabl: "Der 12-Stunden-Arbeitstag, bzw. die 60-Stunden-Woche bringen diese solidarische Form des Zusammenhalts nun gehörig zum Wanken. Schwarz-Blau katapultiert uns zurück in die Vergangenheit und erschüttert dabei unsere Gesellschaft in ihren Grundfesten“, schreibt er. Künftig würden es sich Menschen zweimal überlegen, ein Ehrenamt anzunehmen.

"Warnen Sie Ihre Bürgermeister"

Hebenstreit appelliert an die Freiwilligen Feuerwehren: "Warnen Sie Ihre Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Gemeinderätinnen und Gemeinderäte, Landtagsabgeordneten, Landeshauptleute, Nationalratsabgeordneten, Bundesrätinnen und Bundesräte und vor allem auch der Feuerwehr nahestehende Regierungsmitglieder vor diesem Wahnsinn." Die 122.000 Vereine sollten für die österreichische Vereinskultur kämpfen, die "eine tragende Säule unserer Gesellschaft" sei.

Die Arbeitgeberseite will die Vorwürfe nicht so einfach auf sich sitzen lassen und predigt das, was sie schon seit Wochen predigt: Es solle "nicht mehr gearbeitet werden, sondern flexibler", sagt Rolf Geißner von der Wirtschaftskammer Österreich.

Außerdem sei es schon jetzt üblich, dass Freiwillige von Feuerwehr und anderen Katastrophenhilfsorganisationen den Arbeitsplatz für Einsätze sofort verlassen, unabhängig von der Lage und Dauer der Arbeitszeit. "Unternehmen haben dafür Verständnis. Uns sind keinerlei Probleme bekannt, wenn ein Arbeitnehmer für einen Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr einspringt, obwohl im Betrieb gerade viel zu tun ist", sagt Gleißner. Daran werde sich auch durch die Flexibilisierung nichts ändern. Gleißner sieht darin sogar einen Vorteil:Größere Freizeitblöcke würden den Spielraum für Freiwilligenarbeit erweitern.

Anderl: Für Pendler gefährlich

Die Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl richtete indes den Blickwinkel auf die Pendler: Für Autofahrer steige die Unfallgefahr nach überlangen Arbeitszeiten und die Öffi-Pendler hätten außerhalb der Hauptverkehrszeiten mit langen Wartezeiten zu rechnen. "Erst bis zur Erschöpfung arbeiten, dann in der Dunkelheit ins Auto oder auf den Bahnsteig und noch eine lange Heimfahrt vor sich: das wäre der generelle 12-Stunden-Tag für Millionen Pendlerinnen und Pendler in Österreich."

Viele Menschen, besonders viele Frauen, würden langes Warten am dunklen Bahnsteig als beängstigend empfinden: "Dieser Spießrutenlauf nach über-langen Arbeitstagen darf nicht kommen", so Anderl.

(sk)

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