Irrfahrt zu Ende: Rettungsschiff "Lifeline" legt in Malta an

Das Schiff "Lifeline"
Das Schiff "Lifeline"imago/xcitepress
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Das Schiff hat am Mittwochabend in einem Hafen vor La Valletta angelegt. 230 Migranten und 17 deutsche Besatzungsmitglieder befanden sich an Bord.

Nach fast einer Woche Blockade auf dem Mittelmeer hat das Rettungsschiff "Lifeline" der gleichnamigen deutschen Hilfsorganisation in einem Hafen von Malta angelegt. Nach einem sechs Tage langen diplomatischen Hin und Her kamen die rund 230 Migranten und die deutsche Besatzung am Mittwoch in einem Hafen vor Valletta an.

Das Schiff werde aber beschlagnahmt, sagte Maltas Ministerpräsident Joseph Muscat. "Dieses Schiff war staatenlos, es wird festgesetzt." Gegen die Besatzung der deutschen Hilfsorganisation werde ermittelt, so Muscat. Acht EU-Länder hätten sich bereit erklärt, Flüchtlinge von dem Boot zu übernehmen. Deutschland war nicht darunter. "Das ist keine Blaupause für die Rettung von Migranten", sagte Muscat. Vielmehr sei ein System notwendig, um Wirtschaftsflüchtlinge so schnell wie möglich zurückschicken zu können.

Das Boot hatte am Donnerstag rund 230 Migranten vor Libyen gerettet und wartete seitdem auf hoher See auf eine Erlaubnis, in einen sicheren Hafen einfahren zu dürfen. Die italienischen und maltesischen Behörden werfen dem Kapitän vor, entgegen der Anweisungen aus Italien die Rettung übernommen zu haben. Das Schiff fährt nach Angaben der Dresdener Hilfsorganisation Mission Lifeline unter niederländischer Flagge, was die dortigen Behörden aber bestreiten. Das Schiff ist nur im Register des Wassersportverbandes eingetragen.

Malta hatte vor der Genehmigung zum Anlegen sicherstellen wollen, dass die Migranten auf EU-Länder verteilt werden. Italien, Frankreich, Irland, Luxemburg, Malta, Belgien, Portugal und die Niederlande erklärten sich bereit, Flüchtlinge aufzunehmen. In Deutschland boten mehrere Bundesländer Hilfe an.

Der deutsche Innenminister nannte in Berlin Bedingungen für eine mögliche Aufnahme. Eine Voraussetzung sei, dass das Schiff festgesetzt werde, sagte er am Rande einer Sitzung des Innenausschusses des Bundestages. "Wir müssen verhindern, dass es zu einem Präzedenzfall wird." Das habe er auch Außenminister Heiko Maas (SPD) gesagt, der sich nun um die Details kümmern werde.

Für Seehofer kommt die ganze Angelegenheit zur Unzeit. Wo er sich doch gerade bemüht, eine Botschaft an Migranten und bayerische Wähler zu senden. Diese Botschaft lautet: In Deutschland haben sie den Schalter in der Asylpolitik umgelegt. Die sogenannte Willkommenspolitik ist beendet.

Zwischen Libyen und Südeuropa dürfe es kein "Shuttle" geben, sagte Seehofer. Nach Angaben von Mitgliedern des Innenausschusses sagte Seehofer außerdem in der nicht-öffentlichen Ausschusssitzung, die deutsche Crew müsse zur Rechenschaft gezogen werden. Damit stieß er in das gleiche Horn wie der italienische Hardliner-Innenminister Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega, der die Blockade von NGOs im Mittelmeer kurz nach seiner Amtsübernahme angeordnet hatte.

Es gebe "offenkundige Elemente von Illegalität beim Verhalten der Nichtregierungsorganisation", hieß es auch in Frankreich aus Kreisen des Elyseepalasts. Der französische Regierungssprecher Benjamin Griveaux kritisierte eine "Gefährdung und die Verletzung des Seerechts" durch das Schiff "Lifeline".

"Ein Skandal"

Die Organisation sieht sich dagegen im Recht, sie habe die Migranten konform mit internationalem Recht aus Seenot gerettet. Das Schiff sei korrekt angemeldet gewesen, die juristische Verfolgung sei "Teil der Kriminalisierungskampagne gegen NGOs", sagte Ruben Neugebauer von der Hilfsorganisation Sea-Watch, die die Lifeline bei der Pressearbeit unterstützt. Falls der Kapitän oder Besatzungsmitglieder festgenommen werden sollten, sei das "ein Skandal".

Bei der Einfahrt in den Hafen winkten die Menschen an Bord. Ärzte und Polizisten warteten hinter Absperrungen am Festland. Vier Menschen, darunter drei Babys, sollen sofort ins Krankenhaus gebracht werden. Allerdings wurden die Retter und Migranten nicht von allen Willkommen geheißen. Offensichtlich rechte Aktivisten rollten einen Banner mit der Aufschrift "Stop Menschenschmuggel" aus.

In Deutschland haben die Bundesländer Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Berlin, Brandenburg und Schleswig-Holstein Hilfe angeboten. "Voraussetzung ist, dass der Innenminister dafür den Weg frei macht. Wir appellieren an ihn, dies zu tun", sagte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) in Hannover.

Mission Lifeline hatte am Mittwochmorgen mitgeteilt: "Mit mehr als 200 Menschen an Bord ist heute der sechste Tag für die Lifeline auf dem Meer, das Wetter wird schlechter und die gesundheitliche Situation der geretteten Menschen wird immer fragiler." Die Lage könne aufgrund der Erschöpfung und der Schwäche der Menschen "eskalieren".

Die NGO kritisierte, dass der unionsinterne Asylstreit zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Seehofer auf dem Rücken der Menschen an Bord der "Lifeline" ausgetragen werde. "Es fühlt sich beschämend an, dass die Bundesregierung durch die Behinderung der Seenotrettung dazu beiträgt, dass mehr Menschen im Mittelmeer sterben", schreibt die Mission in einem offenen Brief an Seehofer. "Welcher Straftatbestand soll uns vorgeworfen werden? Ist es Ihrer Meinung nach ein Verbrechen, Menschen aus Lebensgefahr zu retten?".

Die Grünen kritisierten die Haltung der deutschen Bundesregierung. "Wir bedanken uns bei den sieben aufnehmenden EU-Staaten, für die Sicherheit der Menschen an Bord der "Lifeline" zu sorgen und somit auch der 17 deutschen Crewmitglieder", erklärten Luise Amtsberg, Sprecherin für Flüchtlingspolitik, und Manuel Sarrazin, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. "Das Verhalten der Bundesregierung im Umgang mit der "Lifeline" war und ist ein unwürdiges Trauerspiel."

In der aktuellen Asyldebatte ging eine Nachricht dagegen fast unter: Seit Anfang des Jahres kamen deutlich weniger Migranten an Europas Außengrenzen als in den Vorjahren. "Um es klar zu sagen: Es gibt keine Migrationskrise in 2018", erklärte IOM-Sprecher Flavio Di Giacomo, "es gibt ein ernsthaftes Kommunikationsproblem, was wir sehen ist, dass die Zahlen ziemlich bescheiden sind."

(APA)

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