Umweltprüfung mit Ablaufdatum

Power lines connecting pylons of high-tension electricity are seen in Montalto Di Castro
Power lines connecting pylons of high-tension electricity are seen in Montalto Di Castro(c) REUTERS (Max Rossi)
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Großprojekte sollen künftig automatisch genehmigt werden, wenn die Verfahren zu lange dauern. Experten haben aber Zweifel, ob das neue Gesetzespaket seinen Zweck erfüllt.

Wien. Ganz so hat sich die Regierung den gestrigen Mittwoch wohl nicht vorgestellt. Da schickt Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) ein Umweltpaket in Begutachtung, das unter anderem die Rechte der Naturschützer stärkt – und alle sprechen nur davon, dass die Koalition künftig Großverfahren nach neun Monaten Verfahrensdauer „automatisch“ genehmigen und „durchwinken“ will. Grundlage der Aufregung ist die Zusammenfassung eines Entwurfs für ein anderes Gesetzesvorhaben – das Standortentwicklungsgesetz –, die in den Tagen zuvor an Medien verteilt wurde („Der Standard“ berichtete).

Verfahren werden verschleppt

Bisher darf eine Umweltverträglichkeitsprüfung, die bei großen Vorhaben vorgeschrieben ist, eben maximal neun und für manche Projekte zwölf Monate dauern, der Instanzenzug danach maximal ein halbes Jahr. In der Realität werden die Verfahren aber oft verschleppt, viele wichtige Infrastrukturprojekte im Land hängen seit Jahren in der Luft. Das soll in Zukunft nicht mehr möglich sein. Gibt es nach neun beziehungsweise zwölf Monaten Verfahren (oder sechs Monaten Rechtsmittelverfahren) keine Entscheidung, gilt das Projekt als genehmigt, heißt es in besagtem Papier. Auch soll die zuständige Behörde künftig die Möglichkeit haben, „entscheidungsreife“ Ermittlungsverfahren in der mündlichen Verhandlung zu schließen. Außerdem sollen Beweisanträge nur bis zur mündlichen Verhandlung möglich sein.

Während die Industrie Beifall klatscht, reagieren Umweltschützer empört. Das zuständige Wirtschaftsministerium zeigt sich auf Anfrage der „Presse“ verwundert. „Es gibt noch keinen Gesetzesentwurf“, heißt es. Und was bisher berichtet wurde, sei schlichtweg falsch. Zwar sei es richtig, dass die Verfahren nicht mehr Jahrzehnte dauern sollen, aber die Frist, die der Regierung vorschwebt, sei deutlich länger als die 15 Monate, die heute schon im Gesetz verankert sind. „Es wird eine ausreichende Frist geben“, sagt ein Sprecher – danach könnten Projekte automatisch genehmigt werden.

Dass es dringend gesetzliche Änderungen bei Genehmigungsverfahren braucht, ist weitgehend unbestritten. Ob die Regierung den Projektwerbern mit dieser Lösung allerdings wirklich hilft, ist fraglich. Juristen haben ihre Zweifel: „Jede Regelung, die vorsieht, dass nach Ablauf einer Frist ein Projekt im Sinne des Projektwerbers als genehmigt gilt, ist mit dem Unionsrecht nicht vereinbar. Wie lange die Frist ist, spielt dabei überhaupt keine Rolle. Ein Genehmigungsbescheid ist zwingend erforderlich“, sagt Daniel Ennöckl, Professor am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht an der Uni Wien.

Für Projektwerber nachteilig?

Aber auch aus einem anderen Grund könnte sich die Regelung für Projektwerber als Danaergeschenk entpuppen, obwohl die Regierung ihnen das Leben eigentlich leichter machen will. Denn Genehmigungen, die durch Fristablauf erwirkt werden, landen mit Sicherheit beim Verfassungs- und/oder Verwaltungsgerichtshof. Und die Höchstgerichte können nicht nur die Genehmigung aufheben, sondern auch gleich die neue Gesetzeslage kippen.

Noch ein praktischer Aspekt sollte nicht außer Acht gelassen werden. Sowohl die UVP-Behörde als auch das Bundesverwaltungsgericht könnten versucht sein, die Frist „loszuwerden“, indem sie entweder allzu leichtfertig selbst den Antrag abweisen oder ihn mit der Begründung zurückweisen, es würde noch die eine oder andere Unterlage fehlen.

Die Erledigungsfrist beginnt übrigens erst dann zu laufen, wenn der Behörde alle angeforderten Unterlagen vorliegen. Sie kann den Beginn des Fristenlaufs also leicht verhindern, indem sie immer neue Unterlagen vom Projektwerber einfordert.

Ob die Legisten das alles bedacht haben? Ganz sicher scheint man im Ministerium nicht zu sein. Ist der Vorschlag nächste Woche noch nicht wasserdicht, könne man sich vorstellen, den Entwurf erst später in Begutachtung zu schicken, heißt es.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2018)

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