Deutschlands (gar nicht so überraschendes) Desaster

Zu viel Selbstherrlichkeit und Ablenkung führten zum frühen WM-Aus.

Die Überraschung hat sich angedeutet, glauben wollte sie irgendwie niemand und nun ist sie doch wahr geworden: Deutschland ist erstmals in einer WM-Vorrunde ausgeschieden, noch dazu als Gruppenletzter. Jetzt lassen sich Statistiken (vier der letzten fünf Weltmeister ereilte dieses Schicksal) oder Mythen (noch nie hat eine Mannschaft aus Gruppe F den Titel geholt) bemühen, vielleicht aber sind Joachim Löw und „die Mannschaft“ nach zwölf Jahren einfach am bitteren Ende ihrer Erfolgsgeschichte angekommen.

2010 spielte das DFB-Team den inspiriertesten Fußball, 2014 den erfolgreichsten mit dem Titelgewinn, danach folgte zu wenig Weiterentwicklung und vor dieser WM zu viel Ablenkung. Löw hat seinen Spielern eine gewisse Selbstherrlichkeit vorgeworfen, er selbst hat dazu beigetragen. Die Weltmeister-Achse um Manuel Neuer, Sami Khedira, Mesut Özil, Toni Kroos und Thomas Müller hat bei dieser Endrunde für wenig Glanzlichter auf dem Platz, aber umso mehr Gesprächsstoff abseits davon gesorgt. Die anhaltenden Diskussionen um die Nummer eins oder die Erdogan-Causa haben vom Sportlichen abgelenkt und sind mit Sicherheit an der Mannschaft nicht spurlos vorübergegangen. Mit der unerwarteten Auftaktniederlage ist die Stimmung in Deutschland gekippt – für die DFB-Spieler eine neue Erfahrung, denn seit dem Sommermärchen bei der Heim-WM 2006 waren Fans und Medien erfolgsverwöhnt und entsprechend positiv gesonnen gewesen.

In Russland war dem deutschen Team dieser ungewohnte Druck anzumerken, nicht einmal das „Wunder von Sotschi“ mit dem Last-Minute-Sieg gegen Schweden konnte der Mannschaft jenen Ruck geben, dass sie ihre unbestrittene Grundqualität in einer überschaubaren Gruppe auszuspielen vermochte. Auch der Weltmeister kann eben nicht auf Knopfdruck liefern, schon gar nicht ohne klare spielerische Struktur. Diese Zeichen hat offenbar auch Joachim Löw erkannt und schließt trotz vorzeitig bis 2022 verlängertem Vertrag den Rücktritt nicht aus. Zeit zum Nachdenken hat er jetzt genug.

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