Um ihren Koalitionsstreit mit der CSU beizulegen, bittet Kanzlerin Merkel einzelne EU-Staaten um schnellere Rücknahme von Asylwerbern.
Wien/Berlin. Die Zeit drängt. Für die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, steht alles auf dem Spiel: das jahrzehntelange Bündnis ihrer Christdemokraten mit der bayerischen CSU, der Fortbestand der Großen Koalition – und ihre eigene politische Karriere. Bis Montag muss sie eine Einigung mit CSU-Bundesinnenminister Horst Seehofer finden. Der Bayer will ab der kommenden Woche Flüchtlinge, die bereits in einem anderen EU-Land registriert sind, an der Einreise nach Deutschland hindern. Merkel lehnt diese Vorgehensweise ab. Sie will keine nationalen Alleingänge an der Grenze.
Eine „wirkungsadäquate“ Alternative muss her. Für eine große europäische Lösung reicht die Frist nicht mehr. Das hat Merkel bereits vor dem gestrigen Donnerstag, vor Beginn des EU-Gipfels eingestanden. Deshalb kündigt sie „bilaterale Abkommen“ mit einzelnen EU-Mitgliedstaaten an. Doch was ist damit gemeint? Wie „Die Presse“ erfuhr, startete das deutsche Bundeskanzleramt am Dienstag eine diplomatische Offensive quer über den Kontinent. Bei Regierungen von Kopenhagen bis Athen, von Wien und Budapest bis Zagreb, Prag und Rom langten Berliner Bittschreiben ein. Die deutsche Bundesregierung drängt darin auf Verwaltungsvereinbarungen, um die Rückführung sogenannter Dublin-Fälle zu beschleunigen.