Meteorkunde: Wünsch' dir was – im Sekundentakt

Für die Visualisierung des Meteorechos reicht eine einfache Empfangsantenne am Museumsdach.
Für die Visualisierung des Meteorechos reicht eine einfache Empfangsantenne am Museumsdach.(c) NHM Wien, Kurt Kracher
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Eine Radarstation am Naturhistorischen Museum visualisiert Sternschnuppen und Feuerbälle. Der Aha-Effekt ist für Besucher gedacht, die Wissenschaft hat anderes damit im Sinn.

Es ist eine kleine Museumssensation. „Jetzt. Und jetzt wieder. Und wieder“, der Generaldirektor des Naturhistorischen Museums (NHM), Christian Köberl, zählt die Radarsignale, die fast sekündlich als heller Farbfleck über den blauen Bildschirm wandern, laut mit. Es handelt sich dabei um Meteore, also um Bruchstücke extraterrestrischen Materials, die gerade in Echtzeit in die Atmosphäre der Erde eindringen. Rechtzeitig zum „Asteroid Day“ heute, Samstag, (siehe Wissenswoche Seite 36) präsentiert das NHM seinen Besuchern diese neue Meteor-Liveshow, wie es sie in der Form in sonst keinem öffentlichen Museum der Welt gibt.

Möglich macht das eine Radaranlage in Südfrankreich, das militärische Überwachungsradar GRAVES in der Nähe von Dijon. Dieses wird als Sender verwendet. Eine neu installierte Antenne am Dach des NHM empfängt gefiltert bestimmte Signale und überträgt sie auf einen Bildschirm in Halle 5 des Museums. Die Meteor-Radarstation visualisiert die Objekte nicht nur, sondern wandelt sie auch in ein piepsendes akustisches Signal um.

Hundert Tonnen täglich

„Die Objekte sind so schnell, wenn sie in die Erdatmosphäre eintreten, dass sie die Luft aufgrund der Reibungswärme ionisieren“, erklärt Köberl. Durch das Verglühen der Meteore entstehen in Höhen zwischen 80 und 120 Kilometern markante Leuchterscheinungen, also Sternschnuppen oder bei größeren Teilchen Feuerbälle. Das niederfrequente Radar am Dach des Naturhistorischen Museums empfängt dann wiederum Radiosignale, welche vom sogenannten Plasmaschweif der Meteore reflektiert werden.

Meteore können natürlich auch mit freiem Auge beobachtet werden. Ganz große Ereignisse sind sogar tagsüber sichtbar, wie zum Beispiel die Explosion eines zwanzig Meter großen Asteroids über der russischen Großstadt Tscheljabinsk am 15. Februar 2013. Selbst wenn die Astronomen alle größeren Objekte kennen würden, zeige dieser Fall, dass es auch Ereignisse gäbe, die sprichwörtlich aus heiterem Himmel kämen, sagt Köberl: „Bei unserer Visualisierung geht es mir um den Aha-Effekt. Mit der Meteor-Radarstation zeigen wir, dass wir Teil eines großen Ganzen sind und machen das Dauerbombardement, unter dem die Erde steht, sichtbar.“ Immerhin landen jeden Tag hundert Tonnen extraterrestrische Materie auf der Erde – ein Großteil davon freilich als kosmischer Staub.

Geschwindigkeiten messen

Generell dienen Meteor-Radare dazu, das Meteorecho nicht nur wahrnehmen, sondern auch Laufbahnen und Geschwindigkeiten erforschen zu können. Die Station im NHM besteht neben der für die Besucher adaptierten Antenne aus noch einem zweiten Empfangsgerät. In Kombination mit einer Kamera ist diese Antenne, die ähnlich einem Blitzableiter in den Himmel ragt, für die wissenschaftliche Arbeit der Meteorkundler am Museum weitaus interessanter. „Wir können damit herausfinden, woher die Objekte kommen – aus dem Asteroidengürtel oder vielleicht auch vom Mars oder vom Mond“, sagt Ludovic Ferrière, Co-Kurator der Meteoritensammlung im NHM. Derzeit befindet sich die wissenschaftlich genutzte Antenne noch in der Test- und Adjustierungsphase. Sie ist Teil des Forschungsprojekts FRIPON (Fireball Recovery and Interplanetary Observation Network). „Ich möchte die Meteorbeobachtung nach französischem Vorbild über ganz Österreich ausweiten und dazu zehn bis zwölf Kameras überall im Land verteilen“, so der Impaktforscher zu mittelfristigen Plänen mit der Meteor-Radarstation.

Schon die bislang installierte Technik liefert nicht nur eine Visualisierung, sondern auch statistische Daten über die Anzahl, Massen und ungefähre Bahnen der Meteore sowie über Ausbildung, Zerfall und Auflösung der Plasmastreifen. Aber erst durch mehrere Bilder der Objekte aus unterschiedlichen Positionen lässt sich ihre Flugbahn durch die Erdatmosphäre mathematisch exakt rekonstruieren. Damit wiederum kann die Laufbahn eines Objektes im Weltraum zurückgerechnet und das Fallgebiet „überlebender“ Meteore, also Meteoriten, vorwärts berechnet werden.

Angesichts erst sieben bekannter Meteoriten auf österreichischem Boden innerhalb der letzten 250 Jahre hätten neue Funde Sensationscharakter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2018)

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