Bitcoin verständlich gemacht und zu Ende gedacht

Wer auch im Urlaub an Geld denkt, kann sich gleich mit der Zukunft beschäftigen, die Bitcoin bieten könnte.

Was ist Bitcoin? Die meisten Antworten auf diese Frage klingen rasch wie eine Einführungsvorlesung in Informatik. Nicht so bei Saifedean Ammous. Für den gebürtigen Palästinenser ist die Kryptowährung schlicht und einfach das beste Geld, das die Welt je gesehen hat. Um diese Perspektive zu untermauern, widmet der Ökonom die erste Hälfte seines Buches „The Bitcoin Standard“ gar nicht der elektronischen Währung und ihren Kurskapriolen, sondern dem anderen, dem normalen Geld, wie wir es kennen. Dem Dollar und dem Euro und ihren Entstehungsgeschichten.

Ammous versucht dabei erst gar nicht, die etablierten Ökonomen zu überzeugen. Sein Buch ist ein Frontangriff: „Der fundamentale Betrug ist die Idee, dass die Regierung die Geldmenge managen muss“, schreibt er. In Bitcoin sieht Ammous die Reinkarnation des Goldstandards aus dem 19. Jahrhundert – aber mit einer entscheidenden Weiterentwicklung.

„Der Goldstandard hatte den tragischen Mangel, dass das Gold in den Tresoren der Banken zentralisiert wurde. Das hat es den Banken und Regierungen ermöglicht, die Geldmenge über das verfügbare Gold hinaus zu erweitern.“ Es stimmt: Jeder Anlauf des Goldstandards ist ultimativ daran gescheitert, dass die Zentralbanken mehr Geld gedruckt haben als sie Gold hatten und so Inflation erzeugt haben. Aber die konventionelle Ökonomie sagt hier: Gut so! Denn sie betrachtet den Goldstandard und das Korsett, das er der Geldpolitik angelegt hat, frei nach Keynes als „barbarisches Relikt“.

Ammous stellt diese Argumentation auf den Kopf. Solides Geld, schreibt er, sei immer besseres Geld. Und der Weg weg von solidem zu „weichem“ Geld, den wir im 20. Jahrhundert gegangen sind, hätte zu einer Verschwendung von Vermögen und zu Überschuldung geführt.

„Wenn Geld immer nur an Wert verliert, kann man es gleich ausgeben. Aber eine Währung, die im Wert steigt, regt zum Sparen an.“ Genau hier setzt Bitcoin an, schreibt Ammous. Und im Vorwort schreibt Nassim Taleb: „Bitcoins Existenz erinnert die Regierungen daran, dass Währung nicht mehr ihr Monopol ist und gibt uns, den Menschen, eine Versicherung gegen eine Orwellsche Zukunft.“

„The Bitcoin Standard“ ist eines der besten Bücher zum Thema. Weil es nicht mit technischen Details verwirrt und den Fokus auf der Entwicklung des Geldes an sich liegt. Aber auch, weil das Thema Bitcoin konsequent zu Ende gedacht wird. Wer braucht schon ein Buch, das sich zurückhält?

Das Buch

Saifedean Ammous: „The Bitcoin Standard“.

Verlag: Wiley John + Sons, 304 Seiten.
Sprache: bisher nur in Englisch erschienen.
Preis: 23,20 Euro, auch als Audiobook erhältlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2018)

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