Replik

Ein Unwissen, das nur auf die Autorin selbst zutrifft

Zur Selbstbestimmung von Frauen beim Schwangerschaftsabbruch: worum es geht.

Das „Quergeschrieben“ von Gudula Walterskirchen vom 3. Juni bedarf einiger Richtigstellungen. Bereits im ersten Absatz bringt Frau Walterskirchen zwei Fehler unter: „So tragisch es ist, wenn eine Frau sich entschließt, ihr Kind nicht zu behalten, so ist eine jahrelange Gefängnisstrafe wohl nicht die richtige Antwort auf diese schwere Konfliktsituation.“

Bei einem Schwangerschaftsabbruch handelt es sich zweifelsfrei noch nicht um ein Kind, sondern um einen Fruchtsack, Fötus oder Embryo. Für Frauen geht es dabei um die Entscheidung, ob sie ein (meist) weiteres Kind verantwortungsvoll ins Leben begleiten können. Erst wenn dies nicht möglich ist, lassen sie einen Abbruch vornehmen. Auch wissen Frauen genau, was sie wollen und stehen zu ihrer Entscheidung.

Darüber hinaus gratuliert Walterskirchen den irischen Frauen, dass sie die Androhung einer Gefängnisstrafe überwunden haben. In Österreich hingegen steht auf Abtreibung immer noch ein Jahr Gefängnis im Strafgesetzbuch. Wo bleibt also ihr Engagement für Frauen in Österreich?

Walterskirchen beklagt, dass „flankierende Maßnahmen zur Fristenlösung“ nie umgesetzt worden seien. Die Wahrheit: Lediglich der wichtige kostenfreie Zugang zu Verhütung wurde nicht umgesetzt, weil dies von ÖVP, FPÖ und Kirche verhindert wird. Diese Kostenhürde, vor allem für die wirksamen Langzeitmethoden, ist einer der Hauptgründe für die unnötig hohe Zahl an Abbrüchen in Österreich.

400 Beratungsstellen

Die 400 geförderten Beratungsstellen, deren Existenz sie ignoriert, aber sind eine der damals beschlossenen „flankierenden Maßnahmen“. Allerdings sind diese in Zeiten des Internet kaum ausgelastet, weil Frauen meist keine weitere Beratung benötigen. Eine aufgezwungene „Beratung“ hingegen ist eine Bevormundung und wird von Frauen auch so erlebt. Wenn Walterskirchen beklagt, man wisse nach mehr als 40 Jahren nicht, warum Frauen sich außerstande sehen, ein weiteres Kind auf die Welt zu bringen, trifft dieses Unwissen nur auf sie selbst zu.

Motive sind sehr wohl bekannt

Als Fachkräfte wissen wir aufgrund zahlreicher Beratungen sehr genau über die Motive Bescheid und es gibt unzählige Studien und Untersuchungen zu dieser Fragestellung. Allein in Österreich wurden sechs Studien dazu durchgeführt.

Besonders erstaunlich sind die Falschinformationen der Autorin, wenn sie auf angebliche „psychische Folgen“ und ein „erhöhtes Risiko einer Fehlgeburt“ hinweist. Hier ignoriert sie die Ergebnisse groß angelegter wissenschaftlicher Studien. Diese zeigen klar, dass negative Folgen sehr selten sind und entweder durch eine unprofessionelle Betreuung oder eine vorbestehende psychische Erkrankung bedingt sind. Und das behauptete Risiko für eine Fehlgeburt gab es vor Einführung der Fristenlösung, als der Abbruch mit ungeeigneten Methoden vorgenommen wurde. Mit den medizinischen Methoden, die seit Jahrzehnten angewendet werden – oft die Abtreibungspille – besteht kein derartiges Risiko.

Während also Frauen von den medizinischen Fachkräften sehr wohl kompetent beraten und behandelt werden, werden sie vom österreichischen Staat im Stich gelassen. In vielen westeuropäischen Ländern werden nämlich die Kosten für wirksame Verhütung und für einen Abbruch übernommen. In Österreich hingegen müssen auch Frauen mit geringem Einkommen selbst dafür aufkommen. Diese soziale Ungerechtigkeit trifft primär Familien, da die meisten Frauen beim Abbruch bereits eines oder mehrere Kinder haben.

DDr. Christian Fiala ist Gynäkologe in Wien. Er leitet das Gynmed-Ambulatorium in Wien und Salzburg und ist Direktor vom Wiener Verhütungsmuseum.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2018)

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