Mexiko: Lateinamerikas neues linkes Zentrum

Andrés Manuel López Obrador verspricht den Mexikanern nach seinem Wahlsieg die „vierte Transformation“.
Andrés Manuel López Obrador verspricht den Mexikanern nach seinem Wahlsieg die „vierte Transformation“.(c) APA/AFP/ULISES RUIZ (ULISES RUIZ)
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Der Linkspopulist Andrés Manuel López Obrador triumphierte bei der Präsidentenwahl mit 53 Prozent der Stimmen. Er will das 125-Millionen-Einwohnerland komplett umkrempeln.

Buenos Aires/Mexico City. Das linke Lateinamerika bekommt ein neues Epizentrum. Während Kubas Revolution kümmert, Venezuela abstürzt, Brasiliens Ex-Präsident Lula im Gefängnis sitzt, Argentiniens Ex-Präsidentin, Cristina Kirchner, mehrere Korruptionsverfahren am Hals hat und Ecuadors Ex-Präsident, Correa, von der eigenen Partei demontiert wurde, gab eine Mehrheit der Mexikaner am Sonntag ihre Stimme einem erklärten Anhänger des Che Guevara. Andrés Manuel López Obrador, den sein Land nur Amlo nennt, eroberte mehr als 53 Prozent der Stimmen. Dieser Triumph krönt eine Kampagne, die tatsächlich mehr als zwölf Jahre dauerte und die den Kandidaten in sämtliche 2457 Gemeinden des Landes geführt hatte, eine Anstrengung ohne Beispiel in der Geschichte des Landes.

Schon 2006 hatte sich der vormalige Bürgermeister von Mexiko-Stadt um das oberste Staatsamt beworben, war aber knapp gescheitert. 2012 machte er einen zweiten Versuch, der wiederum fehlschlug. Danach verließ der heute 64-Jährige die linke Partei PRD, die er selbst mitgegründet hatte und bildete die „nationale Erneuerungsbewegung“, Kurzname Morena.

„Dreckschweine und Mafiosi“

Die Partei konnte nun im Windschatten ihres Spitzenvertreters zur größten Fraktion im Kongress werden, die Amlo-Fraktion wird auch im Senat die größte Gruppe stellen. Ob es in den beiden Kammern zu absoluten Mehrheiten für das Regierungsprojekt reicht, war zum Redaktionsschluss am Montag noch nicht klar. Fest stand indes, dass Morena auch den Hauptstadtdistrikt erobert hat, der kürzlich den Status eines Bundesstaates bekommen hat, ähnlich wie Wien.

In Mexiko-Stadt gewann mit Claudia Sheinbaum erstmals eine Frau. Die promovierte Ingenieurin ist Spezialistin für Energiefragen und war unter dem Bürgermeister López Obrador Umwelt-Stadträtin. Auch in den meisten der neuen Bundesstaaten, die zur Wahl standen, setzten sich Bewerber von Morena durch. Allein in Yucatán konnte die „Partei der institutionalisierten Revolution“ ihre Herrschaft verteidigen. Sonst steht Mexikos langjährige Machtmaschine vor den Trümmern ihrer von Korruption, Kriminalität und Straflosigkeit gezeichneten Bilanz.

Antonio Meade, der Spitzenkandidat, den der Noch-Präsident und PRI-Chef Enrique Peña Nieto ins Rennen geschickt hat, erreichte etwas mehr als 15 Prozent. Der konservative Bewerber Ricardo Anaya konnte 22 Prozent einfahren. Die endgültigen Ergebnisse im 125-Millionen-Einwohner-Land werden nicht vor Mitte der Woche feststehen.

Am Sonntagabend trat Amlo in einem Hauptstadthotel vor seine Anhänger und rief „die vierte Transformation des öffentlichen Lebens in der Geschichte dieses Landes“ aus. Nach der Unabhängigkeit und den zwei Revolutionen im 19. und 20. Jahrhundert sei nun wieder Geschichte geschrieben worden, was fraglos stimmt, noch nie hatte ein Präsidentschaftsbewerber einen derart hohen Stimmanteil erzielen können. Im Glanze seines Erfolges stimmte López Obrador, der seine Gegner im Wahlkampf ständig als „Dreckschweine“ und „Mafiosi“ titulierte, jäh versöhnliche Töne an. Er bat alle Mexikaner, künftig ihre Ansprüche, so legitim sie auch sein sollten, „einem höheren Interesse“ unterzuordnen.

„Keine Diktatur“

All jenen im In- und Ausland, die seinen Sieg mit Unbehagen registrierten, versicherte er. „Wir werden hier keine Diktatur errichten, weder eine offene noch eine verdeckte.“ Auch wenn tiefgreifende Veränderungen anstünden, würden sich diese „im geltenden Rechtsrahmen“ halten. Wirtschaftliche Freiheit werde ebenso gelten wie das Recht auf freie Meinungsäußerung. „Alle werden Gehör finden und ihre Anliegen vorbringen können. Aber wir werden mit Vorrang die Interessen der Ärmsten und Ausgegrenzten dieser Gesellschaft in Betracht ziehen, allen voran jener der Indigenen“ versprach der Politiker, der seine einst erste öffentliche Funktion in der Indigenen-Behörde seines Heimatstaates Tabasco bekleidete.

Außerdem sagte er zu, dass seine Regierung trotz aller sozialen Maßnahmen diszipliniert haushalten und die Zentralbank des Landes weiter unabhängig agieren werde. Das Geld will Amlo dort generieren, wo vorher korrupte Staatsbeamte die Hand aufhielten. Straflosigkeit wie bisher werde es bei ihm nicht geben.

Die Wahlbehörde rechnet ab Mittwoch mit den vollständigen Ergebnissen aus allen Distrikten. Erst danach kann López Obrador offiziell zum Wahlsieger erklärt werden. Die Präsidentschaft beginnt am 1.Dezember, bis dahin muss der künftige Präsident hoffen, dass die noch amtierende PRI-Regierung die Geschäfte geordnet übergibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2018)

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