Deutschland: Einigung im letzten Moment

Christian Democratic Union (CDU) and Christian Social Union (CSU) meeting in Berlin
Christian Democratic Union (CDU) and Christian Social Union (CSU) meeting in BerlinREUTERS
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Die Union einigt sich auf Transitzentren im Grenzraum. Seehofer will Innenminister bleiben.

Berlin. Sie haben sich geeinigt, aber noch lange nicht versöhnt. Am Montagabend, kurz vor 22:30 Uhr, traten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer nach einem Krisentreffen der Unionsspitze vor die Kamera. Allerdings getrennt. Seehofer vor der CDU-Zentrale, kurz bevor er in seinen Dienstwagen stieg. Merkel im Pressezentrum, kurz bevor die Generalsekretäre der Parteien die Details erklärten.

„Wir haben eine klare Übereinkunft getroffen. Sie erlaubt es mir, dass ich das Amt des Bundesinnenminister weiter führe“, meinte Seehofer. Und damit auch die Funktion des CSU-Chef. „Ich freue mich, dass CDU und CSU einen Kompromiss erreicht haben“, sagte auch Merkel. „Wir haben einen entscheidenden Schritt gegen die Sekundärmigration gesetzt, gleichzeitig den Geist der Partnerschaft gewahrt.“ Dann verließ auch sie den Raum. Sowohl Seehofer als auch Merkel mussten weiter ins Kanzleramt, wo die beiden weiterverhandeln mussten. Mit dem dritten Koalitionspartner: der SPD.

Kompromiss betrifft Österreich

Was war nun dieser Kompromiss, der die Union, die Regierung retten sollte? Das erklärten die Parteimanager Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Markus Blume (CSU). Die Lösung heißt für die beiden Parteien: Transitzentren. Es ist eine Idee, die die Bayern schon vor zwei Jahren hatten, und die nun nocheinmal auflebt. Und eine Idee, die vor allem Österreich betrifft. Denn direkt an der Grenze zwischen den beiden Ländern sollen eigene Bereiche errichtet werden, in denen Flüchtlinge überstellt bzw überprüft werden.

„Wir werden insbesondere an der deutsch-österreichischen Grenze ein neues Regime errichten“, sagte Kramp-Karrenbauer. Flüchtlinge, für deren Asylverfahren ein anderes EU-Mitgliedsland zuständig ist, sollen dort an der Einreise gehindert werden. Dort soll eine Erstprüfung bzw ein Schnellverfahren laufen. Das weitere Prozedere hängt dann vom jeweiligen Land ab, das für den betroffenen Asylwerber zuständig ist. Hat Deutschland mit diesem Staat ein eigenes Rückführungsabkommen abgeschlossen, wird die Person in dieses Land gebracht. Gibt es keinen bilateralen Vertrag, wird der Asylwerber direkt an der österreichischen Grenze abgewiesen. Und dann? Alles weitere „findet auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich statt“, heißt es in der schriftlichen Vereinbarung der Union.

Damit könnten sich CSU und CDU in letzter Sekunde doch noch retten. Denn der Machtkampf in Deutschlands konservativen Schwesterparteien Union spitzte sich am Montagabend dramatisch zu. Um 18 Uhr kamen die Spitzen von CDU und CSU in Berlin zu einem Krisentreffen zusammen, um den eskalierenden Asylstreit in letzter Minute beizulegen. Die Union stehe am Abgrund, sagte davor noch CDU-Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble.

Der Ursprung des Konflikts: CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer beharrte aber darauf, Asylwerber, die schon in einem anderen EU-Mitgliedstaat einen Antrag gestellt haben, direkt an der Grenze abzuweisen. In der Nacht auf Montag erhöhte er bei einer Sitzung des CSU-Vorstands seinen Einsatz. Seehofer drohte mit einem Rücktritt, wenn bis Mittwoch keine Einigung erzielt werden kann.

Kurz vor dem Krisengespräch provozierte Seehofer sogar noch und legte im Streit nach: „Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung.“ Damit wollte er deutlich machen, dass die CSU bei Wahlen besser abschneide als die Christdemokraten. Er dämpfte auch die Erwartungen für eine einfache Lösung und rasche Kompromisse: „Ich müsste mich verbiegen, das kann ich nicht.“ Wie könne man „ein Amt weiterführen, wenn die Grundlinie nicht stimmt, die man vertritt“?

Keine nationalen Alleingänge?

Das war die Frage, die er am Montagabend mit Merkel klären sollte Die CDU-Chefin lehnt nationale Alleingänge an der deutschen Grenze ab. Das Problem ist nun zwar in der Union geklärt, aber insgesamt wohl noch lange nicht gelöst. Nicht nur, weil sich die SPD letztendlich dagegen stellen könnte. Auch mit Österreich muss die Regierung noch verhandeln, wenn man nicht unabgesprochen handeln möchte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2018)

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