Steuern zu erhöhen ist keine Energiestrategie

Um die Klimaziele zu erreichen, bedarf es Änderungen am Status quo. Das muss nicht höhere Steuern bedeuten.

Im Süden von Wien, auf dem sogenannten Wienerberg, steht seit rund zehn Jahren ein riesiger Bürokomplex. Auf über 100.000 Quadratmetern sind dort in Dutzenden Unternehmen hunderte Menschen beschäftigt. Unter diesen Firmen befinden sich auch die ÖBB, die auf dem Wienerberg ihre Zentrale haben. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist der Bürokomplex nur mit enormem Zeitaufwand zu erreichen. Daher fährt der Großteil der Menschen, die in der Zentrale von Österreichs größtem Anbieter öffentlichen Verkehrs arbeiten, jeden Tag mit dem Auto zur Arbeit.

Dieses Beispiel zeigt gut, warum sich Österreich von seinen Klimaschutzzielen eher entfernt als ihnen näher kommt. Vor allem der Verkehr ist ein Antreiber der Kohlendioxid-Emissionen. Seit 1990 hat der CO2-Ausstoß in diesem Bereich um über 70 Prozent zugenommen. Das Kyoto-Ziel wird Österreich mit Sicherheit verfehlen. Und für die von der EU vorgegebenen 2020-Ziele (deutlich geringerer Energieverbrauch und viel mehr Energie aus erneuerbaren Quellen) sehen die meisten Experten ebenfalls schwarz.

Nun dürften viele argumentieren, dass die Aktivitäten zum Klimaschutz ohnehin übertrieben seien und der UN-Klimarat IPCC in seinen Berichten auch ständig falsche Zahlen schreibe. Weiterzumachen wie bisher wäre jedoch ein großer Fehler. Denn grundsätzlich sind sich die Wissenschaftler einig, dass es einen Zusammenhang zwischen CO2 und der Erwärmung der Atmosphäre gibt. Daher sollten wir die Klimaschutzziele auch ernst nehmen und akzeptieren, dass es Änderungen am Status quo bedarf, um sie zu erreichen.


Die Bundesregierung rief daher im Vorjahr die Erstellung einer nationalen Energiestrategie aus. Knapp ein Jahr wurde in verschiedensten Arbeitsgruppen gearbeitet – das am Donnerstag präsentierte Ergebnis fiel jedoch dürftig aus. Konkret vorgeschlagene Maßnahmen gibt es keine. In dem Papier finden sich lediglich Gemeinplätze wie „Erstellung abgestimmter Mobilitätskonzepte“ oder „Forcierung der Einführung von Elektromobilität“. Nun ist der von der Politik geäußerte Wunsch, dass es bis 2020 auf den heimischen Straßen 250.000 Elektroautos geben soll, eine nette Sache. Dadurch wird vorerst aber kein Gramm weniger CO2 ausgestoßen.

Die Wahrscheinlichkeit ist also hoch, dass das Papier doch nur in einer Schublade landen wird – auch wenn das von den verantwortlichen Ministern gebetsmühlenartig verneint wird. Darüber hinaus besteht aber auch noch die Gefahr, dass als einzig substanzielle Maßnahme eine Erhöhung der Mineralölsteuer übrig bleibt. Diese hätte zwar auch marginale Auswirkungen auf den Verbrauch von Benzin und Diesel – würde aber vor allem zur Sanierung des ausufernden Budgetdefizits beitragen. Im Endeffekt eine weitere Belastung der Autofahrer unter dem grünen Mäntelchen. Diese zahlen für ihren Treibstoff jedoch bereits 3,8 Milliarden Euro pro Jahr an Steuern.

Mit ein wenig Kreativität und Mut könnte die Politik aber auch Lenkungseffekte erzielen, ohne die Bürger zusätzlich zur Kasse zu bitten. Vorschläge und Ideen gibt es genug. So zahlt ein durchschnittlicher Autofahrer hierzulande für den Besitz seines fahrbaren Untersatzes pro Jahr gleich viel Steuer wie für das Benzin, das er verbrennt. Dies führt dazu, dass auch bei vorhandenen Alternativen viele Strecken mit dem Auto zurückgelegt werden. Wer fährt schon mit dem Zug, wenn er ohnehin für den Besitz seines Autos zahlt? Durch eine Streichung der Kfz-Steuer könnte man die Mineralölsteuer sogar verdoppeln, ohne dass der Durchschnittsfahrer mehr zahlt. Dies würde aber dazu führen, dass auch Autobesitzer sich manchmal in einen Zug setzten.

Andere Ideen betreffen die thermische Sanierung von Mietwohnungen. Derzeit muss dort der Vermieter die Sanierung bezahlen, die Heizkostenersparnis lukriert aber der Mieter. Kein Wunder, dass Vermieter kein Interesse haben, auch nur einen Cent zu investieren. Eine gesetzliche Neuregelung, die es Vermietern erlaubt, Einsparungen bei den Heizkosten auf die Miete aufzuschlagen, könnte dies ändern.

Und auch Änderungen bei der Raumordnung würden mehr bringen als reine Steuererhöhungen. Könnte nicht mehr jeder Bürgermeister auf seinem Gemeindegebiet Einkaufszentren ohne sinnvolle öffentliche Verkehrsanbindung errichten lassen, würden viele Autos seltener in Betrieb sein. Gleiches gilt natürlich auch für Bürokomplexe in Wien. Dann würden künftig vielleicht sogar die ÖBB-Mitarbeiter wieder öffentlich in die Arbeit fahren.

Artikel zur Energiestrategie Seite 17

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2010)

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