Wiener Karmeliterviertel: Schutzlose Schutzzone?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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In Wien-Leopoldstadt wurden zwei Häuser abgerissen, die sich innerhalb einer „Schutzzone“ befanden. Die Grünen und der Verein Denkmalschutz befürchten weitere Abrisse und erheben Vorwürfe gegen Stadt und Eigentümer.

Wien. Ist das trendige Karmeliterviertel in Gefahr? Zumindest bei den Grünen und bei vielen Anrainern schrillen die Alarmglocken. Anlass für ihren Unmut ist eine Baulücke in der Karmelitergasse 3.

Dort wurde vor kurzem ein Gebäude abgerissen. Bei den Grünen und dem Wiener Verein „Initiative Denkmalschutz" sorgt dies für Verärgerung, denn das Haus stand innerhalb einer Schutzzone. Erst im November vergangenen Jahres wurde das Haus in der Großen Sperlgasse 14 in der Leopoldstadt abgerissen - obwohl es sich in einem geschützten Bereich befand. Nun befürchten die Grünen, dass mehr Gebäude im Karmeliterviertel gefährdet sind.

Sinnvolles Instrument

Die Magistratsabteilung (MA) 19 für Architektur und Stadtgestaltung deklariert historische Stadtviertel und Gebäude als „erhaltungswürdige Gebiete" - so auch das Karmeliterviertel. „Die Schutzzone ist eigentlich ein sinnvolles Instrument", sagt Wolfgang Burghart von der Initiative Denkmalschutz; nur sei sie leicht zu umgehen. Die betroffenen Gebiete seien daher eine „schutzlose Schutzzone", heißt es im Nachrichtenblatt des Vereines.

Das Haus in der Karmelitergasse 3 gehört der Wohnbauvereinigung der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD). Dass die Wohnbauvereinigung für dieses Gebäude eine gültige Abbruchbewilligung erhielt, sei nicht mit rechten Dingen zugegangen, vermutet der Architekt und ehemalige Anrainer Wolf Werdigier: „Der erste Antrag auf Abbruch wurde abgewiesen." Dann habe man so lange „negative Nachbesserungen" vorgenommen, bis die Baubehörde die Abbruchbewilligung erteilt hat. „Das Gebäude war immer intakt, es kann doch nicht plötzlich baufällig werden", sagt Werdigier.

Stefan Gregorich von der Wohnbauvereinigung weist die Vorwürfe allerdings zurück: „Die Ziegeln waren in ihrer Substanz schon spröde." Man habe von allen Seiten Gutachten, etwa ziviltechnische, eingeholt. Das Gebäude sei einfach nicht zu retten gewesen, so Gregorich. Noch heuer will man mit den Bauarbeiten für ein neues Wohnhaus (20 Einheiten) beginnen.

Grätzlcharakter in Gefahr

Durch Aktionen wie diese sei der Erhalt des „Grätzlcharakters" nicht mehr gewährleistet, sagt Sabine Gretner, Planungssprecherin der Grünen. Schuld an dem Abriss erhaltungswürdiger Gebäude sei das „Behördenchaos". Die zuständigen Magistratsabteilungen würden widersprüchlich und unkoordiniert agieren. Während die MA 21 (Stadtteilplanung und Flächennutzung) Schutzzonen festlegt, die MA 19 Gutachten für die Erhaltung der Gebäude erstellt, erteilt die MA 37 (Baupolizei) die Abbruchbewilligung. „Ich vermisse eine klare Haltung der Stadt", sagt Gretner. Die Magistratsabteilungen müssten besser zusammenarbeiten, zumal die MA 19 nicht über die Abbruchbewilligungen in Kenntnis gesetzt würde, sagt auch Werdigier.

„Es gibt sicher weitere gefährdete Häuser", so Gretner, „aber die Baubehörde gibt keine Auskunft darüber." Es seien aber auch die Eigentümer in die Pflicht zu nehmen. Sie würden nämlich ihre Häuser gezielt verfallen lassen, um eine Abbruchbewilligung zu bekommen

Absichtlich verwahrlost

Auf dem Tisch im Lokal „Marktachterl" liegt ein großer Stadtplan von der Leopoldstadt. Mit einem grellen Marker wurden mehrere Kreise gezogen, auf die Uschi Lichtenegger, Klubobfrau der Grünen im zweiten Gemeindebezirk, zeigt. Die Gebäude wurden abgerissen, obwohl sie saniert werden könnten, heißt es.

Allerdings: Wenn die Hälfte eines Hauses sanierungsbedürftig ist, dann „müssen wir eine Abbruchbewilligung erteilen", sagt Gerhard Cech, Dienststellenleiter der MA 37. „Auch wenn es in der Schutzzone liegt."

Obwohl die Baupolizei alle Fälle „sehr genau prüfe", könne Cech nicht ausschließen, dass auch absichtlich Häuser verwahrlost werden. „Hier sind wir auf Informationen von Betroffenen angewiesen." Gretner von den Grünen wendet sich ebenso an die Anrainer: „Wenn Ihnen was auffällt, mailen Sie es mir."

Auf einen Blick

■ In der Leopoldstadt wurden kürzlich Häuser in der Großen Sperlgasse und Karmelitergasse abgerissen – trotz Schutzzone. Die Grünen und der Verein „Initiative Denkmalschutz“ fürchten weitere Abrisse. Eigentümer würden Gebäude absichtlich verwahrlosen lassen, so der Vorwurf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2010)

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