Franz Riebenbauer: Wo das „g'hört si“ Pause macht

Kreativdirektorin Almut Becvar mit Franz Riebenbauer im neuen 220 Grad-Café.
Kreativdirektorin Almut Becvar mit Franz Riebenbauer im neuen 220 Grad-Café.(c) Riebenbauer
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Trendsetter Franz Riebenbauer hat in einer alten Fabrik in Salzburg das neue 220-Grad-Café entworfen – und zeigt damit, wie er mit allen Sinnen spielt.

Durch ein großes Tor kommt man zunächst in den vorderen Garten: weißer Kiesel, ein Feigenbaum, Betonstufen, auf denen man sich mit einem Polster und einem Coffee-to-go niederlassen kann. Dann: das Café selbst, eine ehemalige Elektromotorenwerkstatt, in rohem Zustand belassen, die Wände nur abgeklopft und fixiert – kontrastiert durch eine mit Messing umfasste Marmorbar mit warmen Gubi-Beetle-Stühlen aus dunkelblauem Samt.

Schließlich: der hintere Garten, schwarzer Kiesel, Sukkulenten, ein Wasserbecken. Hier gibt es Hocker und Tische, aber keine Regeln. „Was g'hört si, wie musst du sitzen, derf ma des?“ – all das, sagt Franz Riebenbauer, spiele dort keine Rolle. Eine Atmosphäre, in der man sich mit sich selbst beschäftigen könne. Oder in der man sich, wenn einem nach Erdung sei, einfach „die Schuach ausziagt“.

Studio Riebenbauer

Wenn in zwei Wochen die Festspiele beginnen und man sich fragt, was es in Salzburg Neues gibt, könnte das 220-Grad-Café in Nonntal einen Abstecher wert sein. Und für den gelernten Werber Riebenbauer schließt sich mit dem neuen Café nach gut einem Jahrzehnt ein Kreis. 2006 hatten ihn die Betreiber, Margret und Alois Macheiner, gefragt, ob er für ihren neuen Coffeeshop nicht nur die Marke, sondern irgendwie gleich alles kreieren könne. Riebenbauer überlegte kurz, beschloss dann: „Warum nicht?“

Gespür für Zukunftstrends

Rückblickend, sagt er, habe sich damit für ihn ein Vorhang gehoben und dahinter eine neue Welt aufgetan. Es sei etwas ganz anderes, statt Broschüren einen echten Raum zu gestalten, „den du baust und der bleibt“. Seither hat sich der Steirer, dessen Dialekt wohl selbst längst Teil seiner eigenen Marke geworden ist, zum Experten für sinnliche Gesamtlösungen entwickelt.

Für Red Bull gestaltete er 2014 aus Holz das Interior Design des Formel-1-Rings in Spielberg. Mit der „Wurstplatte“ für einen Pöllauer Fleischer, auf der die Geräusche der Fleischproduktion zur Oper wurden, schaffte er es ins „Monocle“-Magazin. Und nachdem er sich mit der Identität seines Studios auseinandergesetzt hatte, schuf er dafür einen eigenen Duft: Mit seinen Mitarbeitern, viele davon wie er in den steirischen Bergen aufgewachsen, sammelte er in der Natur die dafür nötigen Essenzen und verschickte den Duft in einer Kapsel an seine Kunden. „Da“, erzählt er, „haben uns dann plötzlich Leute kontaktiert, die sich mit Zukunftstrends beschäftigen.“

Studio Riebenbauer

Wenn das Future Laboratory anruft, das seinerseits Unternehmen wie Google berät – „da merkt man, der eigene Weg ist nicht ganz falsch“. Dieser Weg ist von Perfektionismus geprägt, von Liebe zum Handwerk, von einem Gespür für die Wichtigkeit von Fühlen, Hören, Riechen, Schmecken, Sehen in einer digitalen Welt. „Die Menschen“, sagt er, „haben eine Sehnsucht nach etwas Angreifbarem.“ Für das neue 220-Grad-Café hat er etwa mit dem steirischen Keramiker Matthias Kaiser eigene Tassen entworfen: Wie muss die Rundung sein, damit das Aroma des Kaffees perfekt zur Geltung kommt? Wie müssen sie glasiert sein, damit man, ohne sich zu verbrennen, die Wärme spürt? Alles wird dabei infrage gestellt: Warum hat ein Gastgarten Tische? Kann er denn nicht ganz anders (und trotzdem wirtschaftlich) sein?

Inzwischen wird Riebenbauer sogar für Wohnprojekte engagiert. Unter dem Namen Apfelbaum entsteht in Ottakring ein Wohn- und Arbeitsraum der Zukunft, für Menschen mit und ohne Behinderung – Riebenbauer ist mit seinem Partner Vitra in alles eingebunden. Bei aller Liebe zum Regionalen agiert der Mürztaler dabei inzwischen längst global, aktuell etwa in New York, Los Angeles und San Francisco – dort realisiert er für einen Google-Mitarbeiter ein Eisgeschäft, „das gleichzeitig Parfümerie ist: Wo das, was du schmeckst, und das, was du riechst, zum Gesamterlebnis wird“.

Studio Riebenbauer

Zur Person

Franz Riebenbauer wuchs auf einem Bauernhof in St. Lorenzen im Mürztal auf, studierte Grafikdesign und arbeitete zehn Jahre lang in Deutschland für Agenturen wie Jung von Matt und DDB Berlin. Heute führt er sein eigenes Studio. Prägendes Projekt für seine Karriere war 2006 das 220 Grad-Café (der Name bezieht sich auf die Rösttemperatur des Kaffees) in der Salzburger Chiemseegasse, das vielfach ausgezeichnet wurde und Eingang in Bücher wie „The best Coffeeshops in the World“ fand. In Nonntal eröffnete er nun eine Weiterentwicklung.

www.220grad.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2018)

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