Leitartikel

Die neue Weltunordnung und das „Hau den Maulwurf“-Spiel

(c) REUTERS (LEAH MILLIS)
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Durch sein Wüten gibt Trump die Führungsrolle Amerikas auf, spielt China in die Hände – und kommt mit dem Ausmerzen seiner Fehler kaum noch nach.

Zwei Nachrichten von der neuen Weltunordnung: Donald Trump wollte also mit der US-Armee in Venezuela einmarschieren, und seine Berater konnten ihm diese aberwitzige Idee lang nicht ausreden. Meldung zwei: China unterstützt das auf dem Boden liegende Venezuela mit einem weiteren großzügigen Kredit. 60 Mrd. Dollar sind schon geflossen und stützen die abgewirtschaftete Ölförderung im Land mit den reichsten Vorkommen.

Was als Botschaft hängen bleibt: Die Guten sitzen in Peking, die Bösen in Washington. Dabei ist Amerika immer noch ein Leuchtfeuer der Demokratie und Freiheit, China immer mehr eine Diktatur, die ihre Bürger der totalen Kontrolle unterwirft. Und das Regime in Caracas war immer schon eine Bande korrupter Verbrecher, die ihrem Volk den Himmel versprechen, aber die Hölle bereiten – und die niemand mit Geld an der Macht halten sollte. Dass unser Kompass geopolitischer Moral verrücktspielt, ist Trumps Schuld.

Der Wüterich im Weißen Haus kündigt ein Versprechen auf, das einer seiner Vorgänger, Harry Truman, 1950 dem freien Westen gegeben hat: dass die Vereinigten Staaten „Isolation ablehnen“ und durch „positive Teilnahme an der Weltgemeinschaft“ Führungsstärke zeigen. Trump dreht das Versprechen zur Drohung um: Wir sind die Stärksten und zwingen die anderen in die Knie. Damit macht er Freunde zu Feinden. Alle bringt er gegen Amerika auf: Europa, den Nachbarn Kanada, die Nato, nun auch die Saudis und die Opec.

Einen Krieg an zu vielen Fronten kann auch der Stärkste nicht gewinnen. So wird Amerika seine Führungsrolle los und überlässt die Bühne jenen, die dort nichts verloren haben. Chinas Xi und Russlands Putin wissen wohl nicht, wohin zuerst mit ihren Händen: die Augen reiben oder sich gleich ins Fäustchen lachen? Nichts Besseres kann sich Peking wünschen, als den vernünftigen Ersatzpartner spielen zu dürfen, der sich formal an globale Vereinbarungen hält (auch wenn er sie mit heimlichen Hürden untergräbt). In aller Ruhe können die Chinesen ihren Einfluss ausbauen, vor allem in Südamerika und Afrika. Europa zu schwächen ist vor allem Putins Ziel – und Trump spielt ihm wunderbar in die Hände, wenn er Frankreichs Macron dazu einlädt, die lästige EU zu verlassen. So plump und blöd würden es die Russen nie anlegen, sie treiben ihre Keile viel diskreter.

Auch das Venezuela-Gerassel hat nur scheinbar paradoxe Folgen. Es ist Wasser auf die Mühlen von Maduro, der seine Verschwörungstheorie bestätigt sieht und so seine Haut rettet. Wie auch das ständige Einprügeln auf Mexiko dort einen Linkspopulisten an die Macht gespült hat, von dem man nur hoffen kann, dass er nicht die Fehler Venezuelas und Kirchner-Argentiniens wiederholt.

Was Trump treibt, ähnelt einem beliebten Automatenspiel: Aus einem Loch kriecht ein Maulwurf, auf den der Spieler eindrischt. Kaum ist das Tierchen erledigt, lugt daneben das nächste hervor. Das Embargo gegen den Iran treibt den Ölpreis in die Höhe – der US-Präsident beschimpft die Opec, aus Angst, dass ihm hohe Spritpreise die Midterm-Wahl vermasseln. Strafzölle sollen die Inlandsproduktion stärken – die Vergeltung der provozierten Partner schwächt die eigenen Aluminiumverarbeiter und Sojabauern. Hilfen für die bankrottreife Kohleindustrie schädigen wettbewerbsfähige Gasförderer.

Gelockerte Abgasregeln bescheren den Autoherstellern ein Produktionschaos, weil ein Drittel der Bundesstaaten an Obamas Ökostandards festhält. Überhaupt schafft die irrlichternde Politik ein Klima der Unsicherheit, das Gift für Investitionen ist. Dass die US-Firmen bisher guten Mutes bleiben, liegt an der immer noch starken Konjunktur und der massiven Steuersenkung, mit der sie Trump beglückt hat. Was aber, wenn der erste Effekt verpufft und – wie erwartet – Amerika nach einem ungewöhnlich langen Aufschwung in die Rezession rutscht?

Am Automaten tauchen bei jeder Runde immer mehr Maulwürfe auf, so lang, bis der Spieler aufgeben muss. Vor allem, wenn er allein spielt. Mal sehen, was dann in Amerika passiert. Europa aber müsste aus den Trümmern einer Weltordnung selbst Neues bauen. Viel Glück. Wir werden es brauchen.

E-Mails an: karl.gaulhofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2018)

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