Österreichs Plan: „Keine Asylanträge auf Territorium der EU“

Innenminister Herbert Kickl fordert ein neues Schutzsystem
Innenminister Herbert Kickl fordert ein neues SchutzsystemAPA/GEORG HOCHMUTH
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Wer Asyl in einem EU-Land will, soll dies in einem "Hotspot" außerhalb der Union beantragen, zitiert das Magazin "profil" zitiert aus einem Papier des Innenministeriums.

Österreich setzt sich in der EU dafür ein, dass Flüchtlinge in Zukunft keine Asylanträge mehr auf EU-Territorium stellen können. Laut einem Papier des Innenministeriums, das dem Nachrichtenmagazin "profil" vorliegt, soll das bis auf wenige Ausnahmen gelten. Die Zahl der Migranten, die über das Mittelmeer nach Europa kommen, hat indes drastisch abgenommen. Immer wichtiger wird zugleich die Spanien-Route.

Das österreichische Mitglied des ständigen Sicherheitsausschusses in der Europäischen Union (COSI) habe den Vorschlag bei einem Treffen von EU-Vertretern auf Beamtenebene präsentiert, vermeldete "profil" am Samstag im Voraus. Auch die französische Zeitung "Le Monde" hatte davon berichtet. Lediglich in den "Hotspots" außerhalb der Union sollen demnach künftig Schutzbedürftige ausgewählt und in die EU-Staaten gebracht werden - aber nur so viele, wie die Aufnahmeländer zulassen.

Das mittelfristige Ziel sei, dass Asyl nur Antragsteller erhalten, die "die Werte der EU, ihre Grundrechte und Grundfreiheiten" respektieren. Das würde der Genfer Flüchtlingskonvention widersprechen. Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal bezeichnete das Geheimpapier als "Denkanstoß". Innenministeriumssprecher Christoph Pölzl sagte gegenüber der Austria Presse Agentur, er könne keinen Kommentar zu dem Geheimpapier abgeben.

Kritik aus der heimischen Opposition

Kritik kam von der SPÖ und der Liste Pilz. SPÖ-Sicherheitssprecherin Angela Lueger meinte, die Bundesregierung solle sich um ein gemeinsames europäisches Vorgehen kümmern, anstatt "Alleingänge zu veranstalten und ständig zu wiederholen, was alles nicht geht". Pilz-Mandatarin Alma Zadic sprach in einer Aussendung von einer "Abkehr von unseren gemeinsamen europäischen Werten im Geiste des Humanismus". Sie forderte Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) auf, das Dokument dem Parlament vorzulegen.

Der Chef der europäischen Grenzschutzagentur Frontex, Fabrice Leggeri, warnte unterdessen vor einer neuen Hauptroute für Migranten nach Europa. "Wenn Sie mich fragen, was meine größte Sorge derzeit ist: Dann sage ich Spanien", sagte der Franzose der "Welt am Sonntag". Allein im Juni habe man im westlichen Mittelmeer rund 6000 irreguläre Grenzübertritte aus Afrika nach Spanien gezählt. "Wenn die Zahlen dort so steigen wie zuletzt, wird sich dieser Weg zum wichtigsten entwickeln", sagte Leggeri.

Ankünfte in Italien und Spanien gleichen sich an

Neueste Statistiken zeigen, dass die Zahl der Migranten, die über das Mittelmeer nach Europa kommen, drastisch abgenommen hat. Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) lag sie im ersten Halbjahr 2018 nur noch bei knapp 46.500 und hat sich somit gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres mehr als halbiert. Die Verlagerung hin zu Spanien spiegelt sich in den Daten wider: Waren im ersten Halbjahr 2017 laut IOM-Angaben noch rund 85.000 Migranten in Italien und nur 6500 in Spanien angekommen, so waren es im gleichen Zeitraum 2018 in Italien 16.700 und in Spanien bereits 15.600.

Die Europäische Union hatte sich bei ihrem Gipfeltreffen vergangene Woche unter dem Eindruck der deutschen Regierungskrise auf eine Verschärfung ihrer Asylpolitik geeinigt. Frontex soll bis 2020 verstärkt werden, um die EU-Außengrenzen stärker abzuriegeln. Gerettete Bootsflüchtlinge können künftig in zentralen Sammellagern in der EU untergebracht werden. Ähnliche Lager in Nordafrika werden geprüft.

In Deutschland war ein die Regierungskoalition bedrohender Streit zwischen CDU und CSU entstanden. Nach schwierigen Verhandlungen verständigten sich die Unionsparteien sowie die SPD am Donnerstag darauf, dass Flüchtlinge an der Grenze, die in einem anderen Land Asyl beantragt haben, ein "Transferverfahren" durchlaufen sollen. Innerhalb von 48 Stunden sollen sie in das Ersteinreiseland in der EU zurückgeschickt werden, sofern mit diesem eine entsprechende Vereinbarung steht.

Wenn es Abkommen gibt

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte darauf gepocht, dass die deutsche Regierung keine Abkommen zulasten Österreichs abschließen werde. Unter Berufung auf den deutschen Innenminister Horst Seehofer (CSU) erklärte Kurz, es würden "keine Flüchtlinge von Deutschland nach Österreich zurückgestellt, für die Österreich nicht zuständig ist".

Laut Unionsfraktionschef Volker Kauder könnte eine eigene Vereinbarung mit Österreich obsolet werden. Der CDU-Politiker zeigte sich in einem Interview hoffnungsvoll, dass Deutschland bilaterale Abkommen mit Griechenland und Italien gelingen werden. "Dann würde sich die Frage eines Vertrags mit Österreich in der Tat kaum stellen", sagte Kauder der "Passauer Neuen Presse".

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn bezeichnete die Migrationsfrage als "Test für das Weiterbestehen der Europäischen Union". Er habe den Eindruck, dass auch bei EU-Gipfeln "das alles so beiseitegeschoben wird", sagte Asselborn der Deutschen Presse-Agentur.

(APA/dpa/Reuters/AFP)

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