„La famiglia“ ist Italiens Fluch

Luciano Benetton (Mitte) mit seinen Brüdern Carlo und Gilberto: ein Bild aus besseren Tagen (1990) – auch für Italien als Volkswirtschaft.
Luciano Benetton (Mitte) mit seinen Brüdern Carlo und Gilberto: ein Bild aus besseren Tagen (1990) – auch für Italien als Volkswirtschaft.Paris Match via Getty Images
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Warum ist Italien bei Produktivität und Wachstum so stark zurückgefallen? Das Rätsel scheint gelöst: Zu viele Firmen sind falsch geführt, weil Beziehungen mehr zählen als Leistung.

Im Jänner wurde es dem Herrn der vereinigten Farben zu bunt: Der 82-jährige Luciano Benetton übernahm wieder das Ruder beim schwer angeschlagenen Modekonzern aus Treviso. Auch seine 80-jährige Schwester Giuliana, meldete der Firmengründer, „strickt jetzt wieder Pullover“. Sohn Alessandro, der den Job an der Spitze nie wollte, hatte sich nicht bewährt. Aber sein Onkel Gilberto mischt weiter mit. Der Konzern schrieb 2017 über 100 Mio. Euro Verlust. Die Konkurrenten – Zara, H&M und Onlinehändler wie Zalando – haben das einst so erfolgreiche Familienimperium vom Markt gedrängt. Da die Hausbanken weiter Kredite vergeben, überlebt man, irgendwie. Aber ertragreich eingesetzt ist das Kapital nicht.

Ein Einzelfall? Nein, ein Symbol und Symptom, behaupten Ökonomen. Sie suchen die Ursachen von Italiens wirtschaftlicher Lethargie nicht mehr in schlechter Politik, fehlenden Reformen oder dem Korsett des Euro, sondern an der Basis der Wertschöpfung. Vor allem größere Unternehmen haben es nicht geschafft, die Chancen der neuen Technologien zu nutzen. Dazu fehlen ihnen die richtigen Leute an der Spitze – weil nicht die Leistung zählt, sondern Beziehungen, Loyalität, Zugehörigkeit. „La famiglia“ ist schuld.

Es war nicht der Euro. Wie kommt man zu einer so kühnen These? Nach dem Erreger der „italienischen Krankheit“ forschten Volkswirte schon lang, aber das Rätsel blieb: Italien sorgte für Europas größtes Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit. Noch in den Achtzigerjahren lagen die Wachstumsraten über denen von Deutschland und Frankreich. Aber plötzlich fiel die Volkswirtschaft zurück, erst bei der Arbeitsproduktivität, seit der Finanzkrise auch beim BIP-Wachstum. Heute gibt es in Italien, weltweit fast einmalig, nicht mehr Wohlstand als vor zwei Dekaden.

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