EU-Austritt. Briten wollen Freihandelszone mit der EU, Deutsche warnen vor „Rosinenpicken“ Großbritanniens.
London/Berlin. Der neue Brexit-Plan der britischen Premierministerin, Theresa May, sieht eine Freihandelszone für Waren und landwirtschaftliche Güter zwischen Großbritannien und der EU vor. Die Minister haben den neuen Vorschlägen Mays nach monatelangem Gezerre am Freitag in einer Marathonsitzung zugestimmt.
Der deutsche Europapolitiker Elmar Brok (CDU) äußerte sich skeptisch, ob Brüssel die Vorschläge akzeptieren würde. Der Plan sehe so aus, als strebe Großbritannien eine Mitgliedschaft auf dem Binnenmarkt nur für Waren an, sagte er dem Sender BBC. Das widerspreche dem Grundsatz der EU, dass die vier Freiheiten von Waren, Dienstleistungen, Menschen und Kapital nicht verhandelbar seien.
Auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Achim Post, warnte, es könne und dürfe kein „Rosinenpicken“ geben. Eine enge und konstruktive Partnerschaft zwischen der EU und Großbritannien sei wichtig und vernünftig. Die britische Regierung sei aber „falsch gewickelt, wenn sie meint, sich dafür die günstigsten Bedingungen aussuchen zu können“, sagte Post.
EU-Chefunterhändler Michel Barnier kündigte an, erst die Details abwarten zu wollen. In der kommenden Woche will London einen ausführlichen Plan vorlegen.
Das sind vorerst die Eckpunkte: Für Industriegüter und landwirtschaftliche Produkte strebt London ein „gemeinsames Regelbuch“ mit der EU an. So sollen grenzüberschreitende Lieferketten – etwa in der Automobilindustrie – geschützt werden. Der freie Personenverkehr für EU-Bürger soll jedoch beendet werden. Auch im Dienstleistungsbereich will Großbritannien eigenen Regeln folgen. Das gilt ebenso für die Finanzindustrie. Dass britische Banken ihren unbeschränkten Zugang zum EU-Markt verlieren, nimmt die Regierung in Kauf. Nach dem Brexit strebt Großbritannien Handelsabkommen mit Ländern rund um die Welt an.
London will auch nicht länger der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) unterliegen. Zugleich unterstreicht die Regierung, dass britische Gerichte in Fällen, die unter die „gemeinsamen Regeln“ fallen, der europäischen Rechtsprechung Rechnung tragen können. (ag./b. l.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2018)