Boris Johnson galt als größer Befürworter eines "harten Brexits". Sein Rücktritt bringt Premierministerin Theresa May dennoch in Schwierigkeiten. In einem Brief an EU-Ratspräsident Donald Tusk löste May "Artikel 50" des EU-Vertrages aus.
Die britische Regierung kommt nicht zur Ruhe. Nach Brexit-Minister David Davies ist am Montag nur Stunden später auch Außenminister Boris Johnson zurückgetreten. Johnson galt als größter Gegner von Premierministerin Theresa Mays Plänen für einen "weichen" Brexit. Johnson galt als wichtigster Brexit-Hardliner im Kabinett und bezeichnete Mays neue Brexit-Pläne Berichten zufolge während der Kabinettsklausur am Wochenende als "Scheißhaufen". Wie die Regierung in London am Montag mitteilte, akzeptierte Premierministerin Theresa May am Nachmittag das Rücktrittsgesuch des Außenministers. Die Nachfolge werde in Kürze bekanntgegeben, hieß es.
Johnsons Rücktritt geschah nur eine halbe Stunde, bevor May ihren Kompromiss-Brexit-Plan des "dritten Weges" dem Parlaments-Unterhaus vorstellen wollte. Dabei erklärte May, dass der sogenannte "Artikel 50" des EU-Vertrags ausgelöst wurde, das förmliche Austrittsschreiben wurde EU-Kommission übermittelt, sagte May.
Sie bedauere den Rückzug von Außenminister Johnson und Brexit-Minister Davis, verwies aber auch auf die unterschiedlichen Ansichten der beiden mit Blick auf das Verhältnis zwischen Großbritannien und der EU nach dem Ausstieg Londons aus der Union im kommenden Jahr. Ihr Ziel, weiterhin enge Beziehungen zur EU zu pflegen, schütze Arbeitsplätze und sei das beste für die Bevölkerung, sagte May. "Es ist der richtige Deal für Großbritannien."
Brexit-Verhandler trat zurück
Der britische Brexit-Minister Davis ist ebenfalls im Streit über den Kurs der Regierung beim EU-Austritt bereits Montagfrüh zurückgetreten. Der "neue Trend" der Brexit-Politik und die Taktik mache es unwahrscheinlicher, dass Großbritannien den Binnenmarkt und die Zollunion verlassen werde, begründete Davis den Schritt in seinem Rücktrittsschreiben an Premierministerin Theresa May in der Nacht zu Montag.
Die Regierungschefin widersprach. Sie stimme seiner Charakterisierung der neuen Brexit-Strategie nicht zu, erwiderte sie. Erst vor wenigen Tagen hatte May ihr Kabinett bei einer Marathonsitzung auf einen neuen Brexit-Plan eingeschworen. Der Plan wurde von vielen Brexit-Hardlinern als Abkehr vom EU-Austritt gewertet. Auch Außenminister Boris Johnson soll nur äußerst widerwillig in die Pläne eingewilligt haben - nun hat er auch Konsequenzen gezogen.
Sieg für May oder ihr Anfang vom Ende?
Für May, die seit der Neuwahl im vergangenen Jahr im Parlament nur mehr über eine hauchdünne Mehrheit verfügt, ist der Rücktritt der beiden Minister ein heftiger Schlag. Sie muss nun mit weiterem Widerstand aus dem Brexit-Flügel ihrer Partei rechnen. Etwa 60 Abgeordnete in ihrer Fraktion werden dazu gezählt. Auch wenn May zwei Gegner in ihrer Regierung losgeworden ist, ihr Rückhalt in Partei und Parlament schmilzt damit. Ihre Anhänger befürchten einen Machtkampf, der die Partei zerreißen könnte. Großbritannien verlässt die EU am 29. März 2019. Eigentlich soll ein Abkommen über den Austritt schon im Herbst stehen, damit es noch rechtzeitig ratifiziert werden kann.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk haben es bei einer Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsident Petro Poroschenko vermieden, die Rücktritte der britischen Minister zu kommentieren. "Politiker kommen und gehen", meinte Tusk lapidar.
Nigel Farage von der europafeindlichen Ukip-Partei hat Johnson jedenfalls per Twitter schon angeboten, gemeinsame Sache gegen die Premierministerin zu machen: "Bravo @BorisJohsnon. Jetzt können wir die entsetzliche @theresa_may loswerden und den Brexit zurück in die Spur bringen."
(Red./Ag.)