Umweltverbrechen: Steckt China hinter dem Anstieg des Ozonkillers?

Die Verdächtigen: chinesische Fabriksbesitzer.
Die Verdächtigen: chinesische Fabriksbesitzer.(c) REUTERS (Reinhard Krause)
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Chinesische Fabriken könnten für die mysteriöse Zunahme des ozonschädlichen Stoffes FCKW in der Atmosphäre verantwortlich sein, sagen Umweltaktivisten. Die UNO fordert ein „starkes Signal an die Industrie“.

Wien/Peking. Eine Mischung aus Profitgier, Korruption und – absurderweise – strengeren Umweltauflagen und Sicherheitsstandards könnte zu einem Anstieg gefährlicher Ozonkiller in der Erdatmosphäre geführt haben: der sogenannten Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), die maßgeblich zur Zerstörung der Ozonschicht über Arktis und Antarktis beigetragen haben. Die Verdächtigen: chinesische Fabriksbesitzer.

Obwohl sich die Staatengemeinschaft 1987 im kanadischen Montreal auf ein weltweites Verbot von FCKW ab 2010 geeinigt hatte, werde das gefährliche Industriegas seit 2012 wieder heimlich eingesetzt, hatten Forscher Mitte Mai enthüllt. Bis zu 18.000 Tonnen seien jährlich irgendwo in Ostasien ausgestoßen worden. Damit verzögere sich die Schließung des Ozonlochs um ein Jahrzehnt. Es handle sich um nicht weniger als ein „Umweltverbrechen“, sagt Erik Solheim, Chef der UNO-Umweltbehörde Unep, der „Presse“.

Eine exakte Quelle des Lecks konnten die Experten damals nicht ausmachen. Die britische Nichtregierungsorganisation Environmental Investigation Agency (EIA) macht nun Hersteller von Schaumdämmungen in China verantwortlich. Die Fabriken verwendeten das nicht brennbare Trichlorfluormethan (CFC-11) zur Herstellung von Schaumisolierungen, die vor allem im Baugewerbe aber auch für Eiskästen eingesetzt werden, heißt es in dem am Montag veröffentlichten Bericht.

Die Aktivisten berufen sich auf Beweise von 18 Unternehmen in zehn chinesischen Provinzen – nur die Spitze des Eisbergs: Gespräche mit Herstellern und Händlern der Isolierstoffe belegten, dass ein Großteil der Industrie CFC-11 in rauen Mengen verwende, heißt es. Es sei zudem wahrscheinlich, dass chinesische Produzenten den Ozonkiller exportierten. Er sei einfacher herzustellen und billiger als legale Alternativen. Schäden an der vor UV-Licht schützenden Ozonschicht nehmen die wachstumshungrigen Unternehmer in Kauf.

Guerillataktiken der Hersteller

Auch die steigende Nachfrage nach den Schaumdämmungen macht EIA für den Boom des gefährlichen Stoffes verantwortlich: Seit verheerenden Brandkatastrophen drängt Peking das Baugewerbe auf den Einsatz feuerfester Isolierstoffe. Bessere Dämmungen sollen zudem das Smogproblem in den Städten bekämpfen.

Hinzu kommen die „Guerillataktiken“ der Fabriken: Die oft namenlosen Anlagen wechseln häufig ihren Standort, die Betreiber nutzen Verbindungen zur Umweltbehörde. „Wenn das Gemeindeamt Kontrollen durchführt, warnen mich die lokalen Büros. Dann schließe ich meine Fabrik, und die Arbeiter verstecken sich. Die Regierung geht mit ihren Umweltschutzmaßnahmen zu weit“, zitiert EIA einen Fabrikbesitzer. Dabei belegen Regierungsberichte der Provinz Shandong, dass die Behörden sich des Ausmaßes der Praktiken seit Längerem bewusst sind.

Er sei zuversichtlich, dass Peking die illegalen Aktivitäten untersuchen und einstellen werde, sagt Unep-Chef Solheim. Gleichzeitig schließt er weitere Schuldige nicht aus: Mehr wissenschaftliche Untersuchungen seien notwendig, um die exakte Emissionsquelle auszumachen. „Wir müssen ein starkes Signal an die Industrie weltweit schicken, dass Betrüger ertappt werden“, warnt Solheim.

Es steht viel auf dem Spiel: Der Vertrag von Montreal gilt als das bisher erfolgreichste globale Umweltübereinkommen. Nun droht er torpediert zu werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2018)

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