Nach dem Abgang von Konzernchef Hiesinger geht die Angst vor Zerschlagung um. Die neue Strategie kommt – mit dem neuen Boss.
Düsseldorf. Es ist eine ungewöhnliche Allianz: Nach dem überraschenden Rücktritt von ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger am vergangenen Freitag demonstrieren die Krupp-Stiftung und die IG Metall Einigkeit. „Stiftung und Arbeitnehmervertreter sind immer auch gemeinsam für die Stabilität des Unternehmens eingestanden“, erklärten Stiftungschefin Ursula Gather und der IG-Metall-Sekretär und Vizechef des Konzern-Aufsichtsrats, Markus Grolms, der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“. Das werde sich auch in Zukunft nicht ändern.
Am Montag hat der Bezirksleiter der IG Metall NRW, Knut Giesler, die Krupp-Stiftung aufgefordert, sich im Dialog mit der Arbeitnehmerseite zur Stabilität des Unternehmens zu bekennen. Die Stiftung ist mit rund 21 Prozent Großaktionär.
Nicht nur die Betriebsräte machen sich Sorgen um die Zukunft des deutschen Stahlkonzerns mit 160.000 Mitarbeitern. Droht nun die Zerschlagung des Konzerns, nachdem gerade erst nach zweijährigem Ringen die Abspaltung des Stahlgeschäfts in ein Joint Venture mit Tata Steel fixiert worden ist? Auf die Antwort werden Beschäftigte und Aktionäre warten müssen: Sie wird erst der neue Chef geben, wie die drei nun mit der interimistischen Führung betrauten verbliebenen Vorstände in einem Brief an die Mitarbeiter ankündigten. Der Neue wird aber nun erst gesucht. Das werde schwierig, meinten die Experten von Independent Research. Denn es sei nicht einfach, sich zwischen den Interessen von Aktionären, der Krupp-Stiftung, Aufsichtsrat und Arbeitnehmern zu behaupten.
Aktie verlor stark an Wert
Hiesinger, der eigentliche diese Woche die neue Strategie hätte präsentieren sollen, hat sich von aktivistischen Investoren wie Cevian und dem US-Hedgefonds Elliott vorwerfen lassen müssen, zu wenig Tempo und Mut beim Konzernumbau zu zeigen.
Zum Geschäftsportfolio von ThyssenKrupp zählen neben dem Stahlgeschäft auch der Aufzugbau, Großanlagen, Autoteile und U-Boote. Die Argumente der Kritiker sind nicht ganz von der Hand zu weisen: Die Thyssen-Aktie hat seit 2011, als Hiesinger das Ruder übernahm, fast 30 Prozent verloren, während der DAX 78 Prozent zulegte. Darüber täuscht auch der kleine Kurssprung am Freitag nicht hinweg.
Jetzt, in der Not, werden offenbar die Gräben zugeschüttet und Solidarität beschworen – zumindest vorübergehend. „In dieser für das Unternehmen schwierigen Situation geht es nun zunächst darum, auf Kurs zu bleiben“, beschwor Aufsichtsratschef Ulrich Lehner. Die IG-Metall macht sich zwar auch für eine zukunftsfähige Weiterentwicklung stark, nützt aber die Gelegenheit auch für eine Warnung: „Wer dabei die soziale Fairness außer Acht lässt, bekommt es mit uns zu tun, aber richtig“, sagte Grolms. Hiesinger ist übrigens nach John Cryan (Deutsche Bank), Matthias Müller (VW) und Stefan Heidenreich (Beiersdorf) der vierte Chef eines DAX-Konzerns, der heuer seinen Hut nahm. (eid/Reuters)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2018)