Lektoren: "Die Universität schätzt uns nicht"

Lektoren Universitaet schaetzt nicht
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Die Hälfte der Lehre an der Universität Wien wird von "externen Lektoren" bestritten. Seit der Umstellung auf das Bologna-System haben die Lektoren in vielen Fächern mit überfüllten Kursen zu kämpfen.

Manuela N.s Fazit nach 15 Jahren freier Lehrtätigkeit an der Universität Wien fällt bitter aus: „Meine Erfahrung ist, dass die Universität den Lektoren wenig Wertschätzung entgegenbringt. Und es gibt wenige Versuche, sie zu integrieren. Wir bilden eine Art Reservearmee.“

Eine Reservearmee, der man bei Bedarf Verträge aushändigt – und die man dann fallweise „von oben herab“, wie Manuela N. (Name der Redaktion bekannt) sagt, wieder kurzfristig abbestellt: Es wurde ihr rechtzeitig vor Semesterbeginn ihr Lehrauftrag zugesagt, allerdings in eine niedrigere Gehaltsstufe. Dies hätte zu einem um 40 Prozent niedrigeren Entgelt geführt. Als sie diesbezüglich Rücksprache halten wollte, wurde ihr der Lehrauftrag kurzerhand gestrichen.

Freie Lektoren, die jedes Semester aufs Neue befristete Dienstverträge mit der Uni abschließen müssen, können von Arbeitsplatzunsicherheit und der schwer planbaren Unikarriere ein Lied singen. Dabei halten sie in einigen Studienrichtungen mehr als die Hälfte der Pflichtlehrveranstaltungen. An der Universität Wien gibt es laut Informationen der Interessengemeinschaft Externer Lektoren (IG elf) 2500 Lektoren. Österreichweit dürften es 7000 sein, schätzt „IG elf“-Vorsitzender Thomas Schmidinger, selbst externer Lektor am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien.

Vom Provisorium zur Fixeinrichtung

Die freien Lektoren sind über die Jahre von einem Provisorium zu einer fixen Einrichtung an den Universitäten geworden. „Es wurde noch jedes Jahr eine Reduktion angekündigt. Aber es wurden immer mehr“, sagt Schmidinger. „Es gibt keine billigere Möglichkeit, an Lehrveranstaltungen zu kommen“, so der Politologe sarkastisch.

Dabei gibt es im Österreich-Vergleich durchaus Unterschiede in der Bezahlung der Lektoren. Diese wird von den Universitäten festgesetzt; ebenso wie die zur Verfügung gestellte Infrastruktur. An jeder Universität, an der sie Lehraufträge übernommen habe, sagt Manuela N., müsse man aufs Neue herausfinden, welche Kosten ersetzt werden– Fragen wie: „Bekomme ich eine Kopierkarte oder muss ich sie bezahlen?“

Auch Arbeits- oder Besprechungsräume sind für die Lektoren Luxus. „Unbedingt notwendig wäre ein Raum, auch zusammen mit anderen, wo man seine Sprechstunden abhalten könnte“, fordert N. Sie hat in der Vergangenheit ihre Sprechstunden unter anderem zu Hause abgehalten – und wurde dann zynischerweise wegen des Verdachts der „Geheimprostitution“ angezeigt, da sich Nachbarn über die Besuche junger Männer gewundert hatten.

Selbstverständlich ist indes, dass die Lektoren allfällige Reise- und Hotelkosten selber tragen. Viele fassen deshalb ihre Lehrveranstaltung zu einigen Blockterminen zusammen – sonst würde sich der Aufwand überhaupt nicht rechnen. „Bei einstündigen Lehraufträgen ist das sowieso uninteressant“, meint N., da dann die Ausgaben zu hoch seien.

Viel Aufwand, niedriger Verdienst

Fürstlich entlohnt werden die Lektoren nicht: Ein zweistündiger Lehrauftrag bringt im Monat gerade einmal 360 Euro brutto – knapp über der Geringfügigkeitsgrenze. Für die Sozialversicherung reicht das, zum Leben nicht. Das ist mit ein Grund, warum ein großer Teil der Lektoren mehrere Lehraufträge übernimmt.

Seit der Umstellung auf das Bologna-System haben die Lektoren in vielen Fächern mit überfüllten Kursen – vor allem bei den Pflichtlehrveranstaltungen – zu kämpfen. Bis zu 50 Teilnehmer sitzen in Kursen, in denen maximal eine Zahl von 25 bis 30 sinnvoll wäre, so Schmidinger. Pädagogisch sei das nicht sinnvoll, eine „unbezahlte Mehrarbeit“. Lektorin N. findet die derzeitige Lage auch aus fachlicher Sicht wenig zufriedenstellend: Es seien gerade die Lektoren, die aufgrund ihres Hintergrunds innovative Themen und interdisziplinäre Zugänge in die universitäre Lehre einbrächten – was nicht ausreichend honoriert werde.

Zukunftsmodell „Senior Lecturers“?

Über eine bessere Karriereplanung und eine höhere Entlohnung – kurz: über eine Lösung der Lektorenmisere – denken auch die Rektoren nach. Eine solche soll das „Senior Lectures“-Modell im neuen Uni-Kollektivvertrag bringen. Lektoren sollen künftig angestellt werden und ein höheres Stundenausmaß unterrichten – wie viel, darüber wird zwischen Universitätsleitung und Betriebsrat derzeit noch verhandelt. 14 Stunden wünscht sich der Rektor, was dem Betriebsrat zu viel ist.

Ein Teil der externen Lektoren ist mit dem Modell überhaupt unzufrieden – nicht nur, weil es bedeuten würde, dass viele ihre Stellen verlieren werden. Die Interessengemeinschaft fordert ein alternatives Modell mit maximal zehn bis zwölf Stunden Unterrichtsverpflichtung und vertraglicher Zusicherung von Forschung. „Das derzeit vorgesehene Modell lässt keinen Raum mehr für die Forschung“, kritisiert Schmidinger. „Die wäre dann nur noch in den Sommerferien möglich.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2010)

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