EU-Justizkommissarin prangert "politischen Druck" auf Justiz an

APA/BARBARA GINDL
  • Drucken

Die EU-Minister fordern beim informellen Gipfel in Innsbruck mehr Rechtsstaatlichkeit. Sie hätte nie gedacht, dass die EU ein Verfahren gegen Polen einleiten werde, sagt Jourova.

Nach den EU-Innenministern haben am Freitag in Innsbruck die EU-Justizminister im Rahmen eines informellen Treffens über Verbesserungen der Zusammenarbeit im Bereich Justiz beraten. Tag zwei des ersten informellen Ratstreffens während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft verlief um ein Vielfaches ruhiger als noch der Tag zuvor.

Die Mitgliedsstaaten müssten das gegenseitige Vertrauen wiedererlangen, das in den vergangenen Jahren verloren gegangen sei, forderte EU-Justizkommissarin Vera Jourova bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Gastgeber Justizminister Josef Moser (ÖVP). "Ich hätte nie gedacht, dass wir ein Artikel-7-Verfahren wirklich einleiten werden", sagte sie mit Blick auf Polen. Aufgrund des umstrittenen Umbaus der Justiz durch die rechtskonservative Regierung läuft gegen Polen derzeit ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge wegen der möglichen Verletzung von EU-Grundwerten.

"Was wir sehen, ist größerer politischer Druck", so die tschechische Kommissarin. Die Kommission wolle deshalb auch in der Bevölkerung "besser erklären", wie wichtig die Gewaltenteilung zwischen Politik und Justiz ist.

Grenzüberschreitende Herausgabe elektronischer Beweismittel

Auf der Agenda der Beratungen der Justizminister in der Tiroler Landeshauptstadt stand allen voran ein Vorschlag der Brüsseler Behörde zu elektronischen Beweismitteln, die einen besseren grenzüberschreitenden Zugang und Austausch der Beweismittel zum Ziel hat. So sollen beispielsweise Internetdienstanbieter zur grenzüberschreitenden Herausgabe von elektronischen Beweismitteln wie E-Mails oder Telefonprotokollen "bewegt werden", heißt es aus dem Justizministerium. Davon erwarte man sich eine "schnellere und effizientere" Strafverfolgung, wie auch Jourova erklärte. Bei einem gemeinsamen Mittagessen wurde darüber hinaus die gegenseitige Anerkennung in Strafsachen besprochen.

Während des österreichischen EU-Vorsitzes will Moser zudem das Thema Rechtsstaatlichkeit vorantreiben. Dazu seien unter anderem eine Konferenz im September sowie eine Westbalkan-Konferenz im Oktober geplant. Ziel sei, bis Jahresende Schlussfolgerungen auszuarbeiten, die dann von allen EU-Staaten unterstützt werden.

Jourova zeigte sich zuversichtlich, dass Österreich seiner selbst auferlegten Aufgabe des "Brückenbauers" im Rahmen des EU-Vorsitzes gerecht werden kann. "Ich habe gehört, dass Österreich österreichische Lösungen bringen will", die Bundesregierung sei als Vermittler sicherlich geeignet, meinte sie.

Justizminister verzichten auf bewaffneten Polizeischutz

Im Gegensatz zum ersten Tag des Ratstreffens, das im Zeichen von Ankündigungen zur Verschärfung der europäischen Migrationspolitik durch die EU-Innenminister und allen voran Österreichs, Italiens und Deutschlands - stand, war das Medieninteresse an dem Treffen der Justizminister am Freitag relativ gering. Auch die Sicherheitsmaßnahmen während des Treffens der Innenminister waren sichtbar gelockert. So verzichteten die Justizminister etwa auch auf den Schutz durch schwer bewaffnete Polizeieinheiten.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Deutschlands Innenminister, Horst Seehofer, mit Gastgeber Herbert Kickl.
EU-Innenministertreffen

Streit um Wiener Flüchtlingspläne

Gegen die Idee von Herbert Kickl, reine Rückführungszentren für Migranten in Drittstaaten zu installieren, regte sich in Innsbruck Widerstand aus mehreren Mitgliedstaaten.
24,9 Prozent der im vergangenen Jahr in Europa angekommen Flüchtlinge, waren Kinder.
Europa

Vier Vorurteile zu Flüchtlingen im Faktencheck

Einige mit der aktuellen Flüchtlingsdebatte verknüpfte Informationen sind richtig, andere teilweise oder sogar völlig falsch.
Innenpolitik

Polizeiaufgebot: Hochsicherheitszone Innsbruck

Österreich will zeigen, was es hat: Hunderte schwer bewaffnete Polizisten und Hubschrauber prägen das Bild der Altstadt.
Europa

Kickl: "Wir tun nur das, was Menschen von uns erwarten"

Die EU-Innenminister wollten den Schutz der Außengrenzen vorantreiben: Es gebe einen sehr breiten Konsens, darauf den Fokus zu legen, sagte Innenminister Kickl.
Archivbild: Jean Asselborn
Europa

Asselborn: "Keine EU-Präsidentschaft hat das Recht, Genfer Konvention außer Kraft zu setzen"

Luxemburgs Außenminister übt scharfe Kritik an der Vorgehensweise Österreichs. Rückführzentren außerhalb Europas seien kein Thema für einen zivilisierten Europäer.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.