Leerstehende Gebäude

Kreative Nutzungen: Beleben statt brachliegen lassen

Kunst in der ehemaligen Traktorfabrik.
Kunst in der ehemaligen Traktorfabrik.(c) Lisa Puchner
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Floridsdorfer Traktorfabrik oder Creau im Prater - Wien hat gute Beispiele, die demonstrieren, wie Leerstandsaktivierung einen Mehrwert für die Stadt bietet.

In Wien stehen viele Gebäude und Räume leer. Gleichzeitig wächst die Nachfrage nach verschiedensten Nutzungen. Das spricht für Leerstandsaktivierung. „Zwischennutzung hat immer schon stattgefunden, aber eher zufällig, ohne Struktur und Organisation“, sagt Gerhard Berger von der Stadtbaudirektion. Er befasst sich seit 25 Jahren mit Stadterneuerungsstrategien und war Mitinitiator, als vor rund drei Jahren die Stadt Wien die unterschiedlichsten Geschäftsgruppen am Verhandlungstisch vereinte, um eine Agentur für Zwischennutzung ins Leben zu rufen. Rasch war klar: Statt einer solchen Agentur bedarf es einer Serviceeinrichtung, die Leerstand aktiviert.
Das Büro Kreative Räume Wien (KRW) unterstützt engagierte Menschen mit kreativen, künstlerischen oder stadtplanerischen Ideen bei der Raumsuche. Zusaätzlich soll Beratung und Netzwerkarbeit für die Öffnung von Leerständen für Zwischennutzungen sensibilisieren. „Wir sehen uns nicht nur als Service- und Beratungsstelle, sondern wirken auch innerhalb und außerhalb der Verwaltung“, erklärt Thomas Kerekes, KRW-Geschäftsführer. „Leerstandsaktivierung als Thematik ist in der Verwaltung noch relativ neu.“
Unerlässlich ist die Schnittstelle zum Eigentümer. Aber genau das ist das Hauptproblem: „Es ist schwierig, Eigentümer von Zwischennutzungen zu überzeugen. Vor allem zu Konditionen, die auch längere kreative Nutzung ermöglichen“, sagt Berger. Bei der Traktorfabrik in Floridsdorf hat es funktioniert. Das aus dem Jahr 1913 stammende ehemalige Industriegebäude versprüht mit seiner Stahlbetonrippendeckenkonstruktion und den raumhohen Industrieverglasungen einen besonderen Charme. Lang wurde das Gebäude nur als Lager benutzt oder stand leer. Bis der freischaffende Künstler Karim El Seroui es entdeckte, als er auf der Suche nach einem Studio war und das Zwischennutzungsprojekt „Creative Cluster Traktorfabrik“ entwickelte.

Vom Lager zur Kulturstätte

Unterstützt wurde El Seroui von KRW, von der rechtlichen Beratung bis hin zu den Verhandlungen mit dem Eigentümer. Seit Herbst 2017 macht der Creative Cluster Traktorfabrik zwischen 2000 und 3000 Quadratmetern Fläche für über 40 Kunst- und Kulturschaffende zugänglich. „Wir sind froh, dass die Räumlichkeiten dieses geschichtsträchtigen Gebäudes einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden“, sagt Ilse Fitzbauer, Bezirksvorsteher-Stellvertreterin in Floridsdorf. „Wir helfen vernetzungstechnisch und bei der Herstellung der Rahmenbedingungen, die Zwischennutzungen leichter möglich machen.“ Das Projekt ist vorerst auf ein Jahr befristet, mit Option auf Verlängerung. Wunsch ist es, die Traktorfabrik längerfristig für Kunst- und Kulturarbeit zu nutzen, bevor sie - zu Wohnungen oder Büros - umgebaut wird. Lyon Immobilien liegen Verwertungsvorschläge vor, aber noch kein Zeitplan zur Umsetzung.

Jedes Areal ist geeignet

Eine andere Zwischennutzung läuft demnächst aus. Seit August 2016 wird im Projekt „Creative Au“, bekannt unter dem Titel „Creau“, das ehemalige, rund ein Hektar große Stallungsgelände der Trabrennbahn Krieau im Wiener Prater für Design, Musik, Kunst und Kulturevents verwendet. Ende September ist Schluss. Dann sollen dort neue Büro- und Wohnflächen in Form moderner Hochhäuser von IC Development entstehen. Nest, die vor drei Jahren gegründete Agentur für Leerstandsmanagement, hat das Projekt zusammen mit dem Partyserviceunternehmen Usus ermöglicht. „Bei unseren Projekten reicht die Dauer der Zwischennutzung von einem Monat bis zu fünf Jahren“, sagt Angie Schmied von Nest. „Prinzipiell gibt es kein Areal oder keinen Raum, der sich nicht eignet.“ Für jedes Objekt werde ein Nutzungskonzept erstellt. Dann sucht Nest nach geeigneten Nutzungen und betreut diese im laufenden Betrieb. Wobei Schmied betont, dass es in erster Linie nicht um Zwischennutzungen, sondern immer um die Entwicklung einer langfristigen Perspektive gehe.
Dies gilt auch für die KRW, ein räumlicher Fokus liegt auf dem zweiten, 17. und 21. Bezirk. Die Ausgangssituationen seien verschieden, sagt Kerekes: Im zweiten Bezirk soll in Zusammenarbeit mit lokalen Initiativen schon vorweg Leerstand im Neubau verhindert werden. „In Hernals gibt es viel Leerstand im kleinteiligen Bestand, die Öffnung vieler Erdgeschoßlokale erweist sich jedoch als schwierig“. Und im 21. liegen ausgediente Industrieflächen brach, die sich für neue Nutzungen anbieten.

Zur Info:

Was man wissen sollte über . . . . . . Zwischennutzungen

Faktum 1

Meist nur kostendeckend. Lukrativ sind Zwischennutzungen kaum jemals – weder für Eigentümer noch für Nutzer. Meist funktionieren sie rein kostendeckend. Der Hauptvorteil für Eigentümer ist, dass das Objekt in Schuss gehalten und z. B. beheizt wird, Nutzer können ohne langfristige Bindung zeitlich begrenzte Projekte umsetzen oder Geschäftsideen ausprobieren.

Faktum 2

Gut fürs Image. Davon können im Idealfall beide Seiten profitieren, Eigentümer wie auch Nutzer. Ein Standort kann
etwa durch Kulturprojekte ins Gespräch kommen und an Attraktivität gewinnen, umgekehrt können auch Nutzer einen Prestigegewinn verbuchen, wenn sie ein brachliegendes Objekt neu beleben. Umso mehr, wenn es eines mit interessanter Bausubstanz ist.

Faktum 3

Viele Positivbeispiele. Dazu zählen etwa das weiße Haus und die Markterei Alte Post im ersten Bezirk, das Fluc im zweiten Bezirk oder das mobile Stadtlabor in Neu-Marx im dritten Bezirk. Beispiele wie diese tragen dazu bei, dass Zwischennutzungen stärker öffentlich wahrgenommen werden und auch bei Immobilieneigentümern und Bauherren die Skepsis langsam nachlässt.

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