Ein Kurzflug in die Flugzukunft

Nein, das Fliegen in der Economy-Klasse bietet kein tolles Reiseerlebnis mehr. Dabei gäbe es genug kreative Ideen, das zu ändern.
Nein, das Fliegen in der Economy-Klasse bietet kein tolles Reiseerlebnis mehr. Dabei gäbe es genug kreative Ideen, das zu ändern.Ton Koene / dpa Picture Alliance / picturedesk.com
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Wie fliegen wir künftig? Wir schauen in Bildschirme statt aus Fenstern, sitzen uns gegenüber und haben (fast) keinen Jetlag mehr. Überschallflieger könnten ein Comeback feiern.

In diesen Tagen fliegen Millionen Menschen in den Urlaub. Viele fühlen sich dabei beengt, müde, gelangweilt – und sind heilfroh, wenn sie einigermaßen rechtzeitig ankommen. Da kann es nicht schaden, einen hoffnungsfrohen Blick in die Zukunft des Fliegens zu werfen. Nein, nicht auf pilotenlose, von künstlicher Intelligenz gesteuerte Maschinen. Wir lassen auch das ernste und gewichtige Thema beiseite, ob sich Biotreibstoff oder Elektroantrieb durchsetzen und den „Klimakiller“ Luftfahrt damit nachhaltiger machen. Es geht um uns, die Passagiere. Einiges ist im Busch. Start-ups haben Ideen, Airlines testen sie aus. Wenn die Innovation den First- und Business-Buchern mehr Genuss als Verdruss bereitet, kommt nach der Klasse die Masse dran – also wir, die Sardinen in der Economy-Büchse. Hier ein Überblick über das, was uns blüht.

Gar keine Fenster – oder große. Es ist leider nicht zu leugnen: Ein Rumpf ohne Fenster macht das Flugzeug leichter, schneller und spritsparender. Also lässt Emirates sie weg, in der First Class ihrer Boeing 777. Das Plexiglas weicht einem Bildschirm. Auf ihn werden Bilder projiziert, die außen fixierte fiberoptische Kameras aufnehmen. Oder es laufen Videos von virtuellen Landschaften, wie bei der Royal Caribbean. Wer schon beim Gedanken an eine solche fliegende Zauberhöhle klaustrophobische Zustände bekommt, darf auf die Bremskraft der Regulierung hoffen. Vor allem im Notfall, bei dem oft auch der Strom ausfällt, muss zumindest die Kabinenbesatzung hinausschauen können, bevor sie eine Evakuierung startet. Weshalb ein Flieger ganz ohne Kabinenfenster keine Zulassung bekäme, zumindest heute noch. Es gibt zudem einen Gegentrend: Der Dreamliner von Boeing hat recht großzügige Öffnungen, ein Privatjetmodell von Embraer sogar breite Panoramafenster, auch an der Decke. Wir setzen also weiter auf den echten, rein analogen Durchblick.

Luft hält frisch. Das klingt gut: Neue Bauarten machen dem Jetlag ein Ende. Wie das? Wenn wir müde und fertig ankommen, liegt das nicht nur an der Zeitverschiebung. Auch die dünne und staubtrockene Luft im Flugzeug rädert uns. Zu ihr nötigte bisher die Physik: Mit der Höhe nimmt der Druck der Außenluft ab. Im Flieger bleibt er höher, die Luft drängt zum Ausgleich nach außen. Das belastet das Metall des Rumpfs. Deshalb hält man den Kabinendruck recht niedrig – wie auf rund 2.500 Meter Seehöhe. Da zeigen nicht wenige schon Symptome von Höhenkrankheit. Baut man das Fluggerät aber aus Kunststoff, den man mit Kohlenstofffasern verstärkt, kann man den Druck so fixieren, dass er auch Tieflandbewohnern zuträglich ist. Der Boeing 787 Dreamliner und der Airbus A350 verwenden zum Teil schon solche High-Tech-Materialien. Sie erlauben auch eine höhere relative Luftfeuchtigkeit (um die 20 Prozent), weil kein Metall mehr da ist, das rosten könnte. Auch das hält uns frisch.

Sauber sitzen. Da freut sich der Hypochonder in uns: Der deutsche Hersteller Recaro entwickelt einen Sitz, dessen Stoff mit einem Desinfektionsmittel getränkt ist. Es zerstört jeden Keim binnen Sekunden. Damit reagiert die Branche auf Studien, die über Myriaden von Mikroben im Bordgestühl berichten. Aber in Sachen Komfort ist natürlich mehr drin. Über den Verlust an Beinfreiheit wird uns eine serviceorientierte Sitzgelegenheit hinwegtrösten, die uns sanft massiert oder vor drohenden Rückenschmerzen warnt, weil wir so schlapp herumhängen. Für eine aufrechte Sitzhaltung belohnt uns die unter der Armlehne versteckte Mikrobar. Wohl bekomm's!

Sport und Spiel.
Zu lang sitzen tut trotzdem nicht gut. Deshalb bastelt die Ideenschmiede von Airbus an einem fliegenden Fitnessklub. Auf dem Laufband oder der Yogamatte kommen müde Manager wieder auf Touren. Freilich nimmt ein Gym an Bord verdammt viel Platz weg und dürfte unwirtschaftlich bleiben. Aber es reicht ja auch eine Stange für Klimmzüge. Die Schweden von SAS montierten sie schon 2002 in einer ruhigen Ecke ihrer Langstreckenflieger. Wer lieber chillt, lässt sich wie gewohnt von der Bordunterhaltung berieseln. Die aber kommt bald nicht mehr vom Bildschirm am Vordersitz. Sondern, wir haben es geahnt, über Virtuelle-Realität-Brillen. Wenn aber alle Fluggäste in Fantasiewelten entfliehen, schwindet leider die Chance auf Kontaktanbahnung mit reizvollen Sitznachbarn.

Schwanzlose Nurflügler sind allein Luftfahrtfreaks und Kreuzworträtsellösern ein Begriff. Es gehtdabei um Fluggeräte, die sehr stark in die Breite gehen, weil Rumpf und Flügel eine Einheit bilden. Das ergibt im Passagierflugzeug ein völlig anderes Raumgefühl: Statt in einem langen, schmalen Schlauch befindet man sich in einem geräumigen Saal. Arrangiert als halbrundes Theater, oder mit Tischen, wo man einander gegenübersitzt. Das technische Konzept ist über 100 Jahre alt, hat so viele Vor- wie Nachteile und setzte sich bisher nicht durch. Aber mit dem E-Antrieb könnte es durchaus eine neue Chance bekommen.

Superschnell. Vor einer Renaissance dürfte auch das Fliegen mit Überschallgeschwindigkeit stehen. Wir hatten schon die Concorde, die ab den 1970er-Jahren mit 2400 km/h über den Atlantik düste. Das staatlich gestützte Prestigeprojekt war nie rentabel, ein schrecklicher Absturz im Jahr 2000 besiegelte das Ende. Nun bastelt ein Start-up im Silicon Valley an einem Flieger, der genauso Mach 2,2 schafft, aber zu deutlich niedrigeren Kosten. Viel weiter reichen die Visionen im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Das DLR arbeitet am Spaceliner, der 25 Mal schneller fliegen soll als der Schall. Technisch kriegt man das hin, aber es wirklich umzusetzen, wäre (noch) schrecklich teuer. Doch wer weiß: Vielleicht fliegen wir ja noch zu Lebzeiten von Austria nach Australia in nur 90 Minuten. Ein wenig träumen wird man doch dürfen.

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