Essens-Tabus in der U-Bahn

Essen in der U-Bahn, wie „Presse“-Redakteur Erich Kocina es 2009 im Selbstversuch testete, wird bald verboten.
Essen in der U-Bahn, wie „Presse“-Redakteur Erich Kocina es 2009 im Selbstversuch testete, wird bald verboten.(c) Michaela Bruckberger
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Stadträtin Ulli Sima plant eine Liste verbotener Nahrungsmittel in der U6, auch die Fahrgäste sollen darüber abstimmen können.

Wien. Es war wohl nur ein Zufall. Dass die zuständige Stadträtin Ulli Sima ausgerechnet jetzt Deospray in der U6 verteilt, soll nämlich nichts damit zu tun haben, dass auf genau dieser Linie ab September geruchsintensive Speisen verboten sein sollen. Das Deodorant sei ein „Abkühlungsgoodie“, heißt es bei den Wiener Linien. Als Gimmick zusätzlich zu Abkühlungsmaßnahmen, die man in der U6 schon geschaffen habe, etwa Kiemenfenster für eine bessere Luftzirkulation.

Und doch passt es ins Bild. Die Stadträtin will – zunächst vor allem entlang der U6 – gegen intensive Gerüche kämpfen. Etwas, das die Wiener Linien schon seit Jahren mit Kampagnen versuchen, das nun aber mit einem Verbot bestimmter Speisen auf eine neue Stufe gehoben wird. Dezidiert geht es um Kebab, Pizza, Leberkäsesemmeln oder auch Nudelboxen. Und während man bei den Wiener Linien von keiner dezidierten Auflistung sprechen will, sondern auf das Ermessen der Kontrollorgane verweist, überlegt Sima gegenüber Journalisten schon eine Liste, welche Nahrungsmittel tabu sind. Und auch eine Abstimmung, bei der sich die Fahrgäste auch beteiligen können.

Ob die klassische Extrawurstsemmel oder ein steirischer Apfel sanktioniert werden, ist also noch offen. Wobei Strafen vorerst ohnehin nicht ausgesprochen werden sollen. Zunächst soll es eine Testphase geben, die auch von einer weiteren Infokampagne begleitet werden soll. Ab wann man härter durchgreifen will, und wie hoch Strafen dann ausfallen können, ist noch offen. Wobei man bei den Wiener Linien vor allem auf eine Sensibilisierung der Fahrgäste hofft. „Die paar Minuten im Fahrzeug sollte man ohne Essen auskommen“, sagt ein Sprecher. Viele Menschen hätten die bisherigen Kampagnen schon gesehen, sich aber vielleicht nicht persönlich angesprochen gefühlt.

Tatsächlich ist der Geruch in der U-Bahn ein Thema, das offenbar viele Fahrgäste intensiv beschäftigt. 76 Prozent waren es laut einer Umfrage der Wiener Linien aus dem Vorjahr, die über geruchsintensives Essen klagen – übertroffen nur von laut telefonierenden Passagieren, die von 83 Prozent als Problem gesehen werden. Dabei gilt der Geruch von Speisen nicht immer als negativ – der Geruch von Speisen rund um den Naschmarkt oder die intensiven Emissionen der Manner-Fabrik in Hernals oder der Ottakringer Brauerei werden etwa auch als positive Erkennungsmarken auf einer olfaktorischen Wien-Karte gesehen.

Der Geruch der Stadt

Gerade im abgeschlossenen Raum der U-Bahn scheinen aber konzentrierte Gerüche besonders negativ wahrgenommen zu werden. Nach „Arbeit, Deo und Kebab“ rieche die U6 im Sommer, wie es in „Sensorisches Labor Wien“ heißt, einer Studie der Uni Wien von 2011, in der dem Geruch der Stadt an verschiedenen Orten nachgegangen wird. Essen in der U-Bahn, ein auch laut dieser Studie bisher nicht untypischer Eintrag auf der städtischen Geruchskarte, dürfte allerdings, wie es derzeit aussieht, aber bald verschwunden sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2018)

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