Martha Bißmann, die erste "Wilde"

Peter Pilz forderte Martha Bißmanns Rauswurf aus dem Klub.
Peter Pilz forderte Martha Bißmanns Rauswurf aus dem Klub.(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Nach langen Querelen wurde Martha Bißmann nun doch aus dem Parlamentsklub der Liste Pilz geworfen. Davon hat die Partei vor allem eines: deutlich weniger Geld.

Wien. Solidarität hat bei der Liste Pilz ihren Preis. Nachdem man sich erst vor Kurzem wieder versöhnt hatte, wurde Martha Bißmann dann Donnerstagfrüh, von tobenden Worten eines Peter Pilz begleitet, doch aus dem Klub geworfen. Ihr Ausschluss war einstimmig – also auch die Frauen (Stephanie Cox und Alma Zadić) stimmten dafür. Daniela Holzinger war nicht anwesend. Bißmann ist damit die erste wilde Abgeordnete in dieser Legislaturperiode.

Der Grund für das Zerwürfnis: Bißmann stand bis zuletzt zu Sebastian Bohrn Mena. Das ist jener Klubmitarbeiter, der vor rund einer Woche fristlos entlassen wurde, weil er Peter Pilz in einem „Presse“-Interview als schlechten Parteichef bezeichnete, der die Organisation „autoritär“ und „antidemokratisch“ führe. Bohrn Mena trat daraufhin aus der Partei aus, wollte seinen Job im Klub als „Abgeordneter ohne Mandat“ aber weiterhin behalten. Er war dort für Tierschutz- und Kinderrechte zuständig.

Kurios ist, dass zu jener Klubsitzung, bei der sein Rauswurf auf der Tagesordnung stand, nur eine der weiblichen Abgeordneten gekommen war: Martha Bißmann. Sie stimmte für die Entlassung, obwohl Bohrn Mena zu ihren Vertrauten zählt. Ihre Begründung: Es hätte sowieso eine Mehrheit dafür gegeben – und sie wolle am zerrütteten Vertrauen der anderen Abgeordneten in sie arbeiten.

"Systematisches Mobbing"

Bißmann selbst gab gegenüber der Austria Presse Agentur an, "enttäuscht" zu sein. Sie hätte sich einen anderen menschlichen Umgang erwartet. In einer Stellungnahme legt sie dar, dass sie wegen des ständig drohenden Ausschlusses unter "psychischem Druck" stand und gestern, Mittwoch, per Email den Klub aufforderte, die ständigen Drohungen zu beenden.

Bissmann spricht von "systematischem Mobbing" - sei doch entgegen öffentlicher Erklärungen, dass sie nicht ausgeschlossen werde, bei jeder weiteren Klubsitzung ihr Ausschluss als erster Tagesordnungspunkt vorgesehen gewesen. Sie sei unter dem ständigen Druck gestanden, "bei jedem falschen Sager, bei jeder Handlung, die den Interessen der Führung durch Mag. Rossmann, Dr. Zinggl und Dr. Peter Pilz nicht passen" sofort ausgeschlossen zu werden. "Das war mir zu viel", betonte die Steirerin - und trat der Darstellung entgegen, sie hätte darauf bestanden, im Klub zu bleiben.

Sie habe nur versucht, im Sinn der Sache weiterzuarbeiten. Aber das sei "von vornherein zum Scheitern verurteilt" gewesen. Denn nach den "Widrigkeiten und Repressalien", um sie zum Mandatsverzicht zu bewegen, würden im Klub weiter "leider Intrigen und Machtspiele dominieren", hielt Bißmann ihrer Ex-Partei vor. Jetzt werde sie sich als freie Abgeordnete für Klimaschutz und Ökologie einsetzen, in Zusammenarbeit mit Abgeordneten, die mit ihren Ideen solidarisch sind, und darauf freue sie sich.

Seit Wochen gestritten

Bißmanns Rauswurf gehen wochenlange Streitereien im Klub voraus. Die Abgeordnete aus der Steiermark war in Ungnade gefallen, weil sie sich weigerte, auf ihr Mandat zugunsten von Peter Pilz zu verzichten. Sie war nachgerückt, als Pilz dieses im Herbst 2017 wegen Vorwürfen der sexuellen Belästigung nicht angenommen hatte. Die Ermittlungen wurden im Mai wegen Verjährung eingestellt. Pilz sah für sich nun den Weg ins Parlament geebnet, aber Bißmann weigerte sich zu gehen. Man drohte ihr mit Rauswurf.

Ob der Streiterei warf der ehemalige Klubobmann Peter Kolba das Handtuch. Pilz kam durch dessen Ausscheiden schließlich doch zu einem Mandat. Aus dem Klub hieß es, man wolle Bißmann noch eine letzte Chance geben.

Diese hat sie offenbar vertan, als sie sich mit Bohrn Mena solidarisch zeigte, der nun gegen seinen Rauswurf gerichtlich vorgehen will. Zu Bißmanns Ausschluss sagt er gegenüber der „Presse“: „Ich bin schockiert, habe das aus den Medien erfahren. Es tut mir leid für sie und ich bin natürlich weiter für sie da.“

Schrumpfendes Konto

Aber was hat die Liste Pilz nun von den Rauswürfen? Der kleinste Parlamentsklub ist nun noch kleiner, hat nur mehr sieben Abgeordnete. Inhaltlich verliert sie mit Bohrn Mena ihren Sprecher für Kinder- und Tierrechte. Bißmann war für die Landwirtschafts-, Naturschutz- und Entwicklungsagenden zuständig. Schmerzhaft wird es für den Klub aber vor allem monetär: Denn weniger Mitglieder bedeuten auch deutlich weniger Förderung. Derzeit bezieht der Klub rund zwei Millionen Klubförderung pro Jahr. Schon im vierten Quartal dieses Jahres werden es um rund 45.000 Euro weniger sein, 2019 dann um 175.000 Euro jährlich.

Neuerungen wird es außerdem in den Ausschüssen geben – diese müssen sich nun nämlich alle neu konstituieren, weil sich die Berechnungsschlüssel und die Proportionen der Parteien zueinander geändert haben. Die Liste Pilz hat derzeit in allen Ausschüssen nur eine Person sitzen – manch andere Partei wird wohl weitere dazubekommen. Für das Parlament ist das ein großer administrativer Aufwand. Die neuen Ausschüsse werden frühestens am 26. September in der nächsten Plenarsitzung neu zusammengestellt.

Ungewisse Zukunft

Und Martha Bißmann? Sie darf künftig an den Ausschüssen nicht mehr teilnehmen, aber weiterhin Reden im Parlament halten. Auch um die parlamentarische Infrastruktur fällt sie um, die durch die Klubförderung finanziert wird.

Außer sie findet Asyl bei einer anderen Fraktion. Die Neos schlossen einen fliegenden Wechsel am Donnerstag bereits aus. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder wollte sich dazu nicht äußern – ein Wechsel zur SPÖ gilt aber nicht als besonders wahrscheinlich, ein Wechsel zu ÖVP oder FPÖ als ausgeschlossen.

Martha Bißmann wird also vermutlich wilde Abgeordnete bleiben – und in eine der hinteren Reihen wandern. Die Sitzplätze werden von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka zugewiesen. Dass er darauf besteht, dass sie weiterhin neben Peter Pilz sitzt, ist nicht anzunehmen.

ZUR PERSON

Martha Bißmann wurde 1980 in Graz geboren und hat acht Geschwister. Sie studierte an der FH Burgenland Energie und Umweltmanagement. Von 2003 bis 2005 war sie Vorstandsmitglied der Grünen Akademie Steiermark. Bis sie 2017 in die Politik einstieg, war sie in den Bereichen Klimaschutz und erneuerbare Energien tätig, insbesondere für EU-geförderte Kampagnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2018)

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