Der Fall Josefa: Das Bild einer Geretteten bewegt Spanien

Das Bild der geretteten Josefa aus Kamerun ging um Welt.
Das Bild der geretteten Josefa aus Kamerun ging um Welt.(c) REUTERS (JUAN MEDINA)
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Libyens Küstenwache überließ die Frau und andere Migranten auf hoher See ihrem Schicksal, klagt eine spanische Hilfsorganisation.

Madrid. Mit weit aufgerissenen Augen schaut sie ihre Retter an, die sie in ein Schlauchboot ziehen. Im Gesicht der erschöpften Frau spiegeln sich Angst und Entsetzen wider. An ein Stück Holz geklammert kämpfte sie im Mittelmeer stundenlang um ihr Leben. Rund 150 Kilometer vor der libyschen Küste entfernt. Neben ihr treiben im Wasser die Reste eines Gummischlauchboots und zwei Leichen von afrikanischen Migranten. Bei den Toten, die ebenfalls geborgen wurden, handelt es sich um eine weitere Frau und ein kleines Kind.

Die dramatischen Bilder, die die spanische Hilfsorganisation Proactiva Open Arms von dieser Rettungsaktion veröffentlicht hat, gehen derzeit um die Welt und bewegen Spanien. Genauso wie die schweren Anschuldigungen gegen die libysche Küstenwache. Ihr wird von den Helfern auf dem Schiff Open Arms vorgeworfen, der Frau namens Josefa und weiteren Migranten auf dem Meer nicht geholfen und sie kaltblütig ihrem Schicksal überlassen zu haben. Offenbar ließ man sie zurück, weil sie nicht nach Libyen zurückgebracht werden wollten. Inzwischen befindet sich die Open Arms auf dem Weg auf die spanische Mittelmeerinsel Mallorca. Die Inselregierung hat angeboten, der 40-jährigen Josefa, die aus Kamerun stammt, eine neue Chance und Heimat zu bieten.

Schwere Vorwürfe

„Die libysche Küstenwache gab an, dass sie ein Boot mit 158Menschen abgefangen und medizinische und humanitäre Hilfe geleistet habe. Was sie aber nicht sagte, war, dass sie zwei Frauen und ein Kind auf diesem Boot ließen – weil sie sich weigerten, die libyschen Patrouillenschiffe zu besteigen.“ Es ist ein schwerer Vorwurf, den Oscar Camps, der Gründer von Proactiva Open Arms, Stunden später via Twitter erhoben hat.

Die Anschuldigung ist auch deswegen brisant, weil die libysche Küstenwache von der EU ausgebildet und ausgerüstet wurde, um die Migrationsroute in Richtung Italien zu kappen. Schon seit 2017 schützen libysche Patrouillenschiffe die südeuropäische Seegrenze. Der Auftrag lautet, Flüchtlingsschiffe zu stoppen und die Migranten an Libyens Küste zurückzubringen. Seit Jahresbeginn, so teilte die Internationale Organisation für Migration (IOM) jüngst mit, habe die Küstenwache bereits rund 10.000 Migranten im Meer aufgegriffen und zurücktransportiert.

Dass bei dieser EU-Zusammenarbeit mit Libyen die Einhaltung der Menschenrechte auf der Strecke bleibt, wird von humanitären Organisationen schon länger kritisiert. Und auch die IOM, welche in die Vereinten Nationen eingebunden ist, hat jüngst besorgt darauf hingewiesen, dass die nach Libyen gebrachten Migranten in überfüllten Haftzentren landen, in denen erbärmliche Zustände herrschen. Flüchtlinge berichten von Folter, Vergewaltigung, Erpressung und Sklaverei.

Wohl deswegen flehte Josefa die Retter zunächst immer wieder an: „Libyen nein, Libyen nein.“ Bis ihr die Helfer erklärt haben, dass sie nichts mit der libyschen Küstenwache zu tun haben und dass sie nun in Sicherheit sei.

Salvini spricht von einer „Lüge“

Ein Sprecher der libyschen Küstenwache dementierte, dass die Schiffbrüchigen im Meer zurückgelassen worden seien – ohne weitere Erklärungen zur Schilderung von Josefa abzugeben. Mit dem ihm eigenen Ton antwortete Italiens rechtspopulistischer Innenminister, Matteo Salvini, der Italiens Häfen vor Wochen für Hilfsschiffe gesperrt hat: Die Vorwürfe seien eine einzige „Lüge“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2018)

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