Seit 2015 koordinieren die Mitgliedstaaten mit der Operation „Sophia“ ihren Kampf gegen Schlepper und Schmuggler. Die populistische Regierung in Rom stellt dies infrage.
Brüssel/Wien. Die neue italienische Regierung verschärft ihre Gangart im Ringen um die Aufteilung von Bootsflüchtlingen aus dem Mittelmeer und stellt nun sogar den gemeinsamen Kampf gegen Menschenschlepper und kriminelle organisierte Schmugglerbanden infrage. Außenminister Enzo Moavero Milanesi teilte in einem Schreiben an Federica Mogherini, die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, mit, dass Italien es auch nicht mehr akzeptieren wolle, dass Schiffe der Marinemission „Sophia“ aufgefischte Bootsmigranten in italienischen Häfen an Land bringen.
„Unter den derzeitigen Umständen ist Italien nicht mehr in der Position, einem Operationsplan“ zuzustimmen, der vorsehe, dass „gerettete Migranten ausschließlich in italienische Häfen gebracht“ werden, „ohne anschließend zwischen den Mitgliedstaaten aufgeteilt zu werden“, heißt es in dem Brief aus Rom, der der deutschen Tageszeitung „Die Welt“ vorliegt.
Am Freitag wurde die Mission dem „Spiegel“ zufolge vorerst eingestellt. Mehrere Diplomaten wiesen den Bericht zurück. Die Mission kann vorerst bis Ende August weitergeführt werden. Binnen fünf Wochen soll nun eine Lösung mit Rom für die Mission gefunden werden.
Der Aufstand Italiens ist insofern bemerkenswert, als die Mission „Sophia“, die im Juni 2015 von den nationalen Regierungen gemeinsam beschlossen wurde und die Zusammenarbeit von Marineschiffen mehrerer Staaten umfasst, seit Beginn stark italienisch geprägt ist. Zwei der drei befehlshabenden Kommandanten von „Sophia“ sind Konteradmiräle der italienischen Marine, das Hauptquartier ist in Rom, und es gibt für diese Mission einen teilweisen Kostenersatz aus dem Unionshaushalt.
Ärger über Roms Eigensinn
„Sophia“ ermöglicht es den Italienern also, das, was sie ohnehin tun müssten, nämlich gegen Schlepper und Schmuggler vorzugehen, mit europäischer Unterstützung zu tun. Sechs Schiffe und ebenso viele Hubschrauber und Flugzeuge sind dazu im Einsatz, die meisten von anderen Staaten als Italien bereitgestellt.
Dementsprechend gereizt war am Freitag die Stimmung bei der Krisensitzung der für sicherheitspolitische Fragen zuständigen Botschafter der Mitgliedstaaten in Brüssel. „Die Mehrheit wird nicht so einfach einem einzelnen Mitgliedstaat nachgeben“ , hieß es aus dem Verhandlungssaal gegenüber der „Presse“. „Es gibt andere Wege, das zu lösen, und zwar nicht in einem einzigen Treffen.“
Kommissionsvorsitzender Jean-Claude Juncker bemühte sich in einem Brief an Ministerpräsident Giuseppe Conte um Einvernehmen, betonte jedoch: „Wir müssen uns aber darüber bewusst sein, dass die EU keine Zuständigkeit dafür hat, den Ort festzulegen, an dem nach einer Such- und Rettungsoperation auf hoher See an Land gegangen wird.“
Doch neben der Ungewissheit, was künftig mit Flüchtlingen geschehen soll, die vor Europas Küsten gerettet werden, bereitet den Mitgliedstaaten eine weitere Frage zunehmend Kopfzerbrechen: Wo sollen jene Aufnahmezentren für Migranten außerhalb der EU errichtet werden, auf die sich die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel im Juni geeinigt haben? Bisher hat sich kein einziger infrage kommender Drittstaat dazu bereiterklärt, solche „Plattformen“ im eigenen Land zu errichten.
Libyen will keine Plattformen
Libyen, das aktuell wichtigste Transitland auf dem Weg nach Europa, schließt Flüchtlingszentren auf eigenem Staatsgebiet dezidiert aus: Das bestätigte der Chef der international anerkannten Regierung, Fayez al-Sarraj, der „Bild-Zeitung“. „Wir sind absolut dagegen, dass Europa ganz offiziell bei uns illegale Migranten unterbringen will, die man in der EU nicht haben möchte“, sagte er. Ähnlich argumentieren andere nordafrikanische Länder wie Tunesien oder Ägypten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2018)