Mr. Musk, der durchgeknallte Superheld

Elon Musk – der Pionier mit Wurzeln in Südafrika musste sich zuletzt entschuldigen, weil er auf Twitter ausfällig wurde.
Elon Musk – der Pionier mit Wurzeln in Südafrika musste sich zuletzt entschuldigen, weil er auf Twitter ausfällig wurde.Getty Images
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Mit seinen Eskapaden auf Twitter fällt Elon Musk negativ auf. Immer wieder streitet er sich mit Kritikern. Die Investoren werden nervös. Gefährdet er den Erfolg von Tesla? Oder gehören solche Kontroversen dazu – bei einem wie Musk?

Bei Twitter kann jeder jedem alles an den Kopf werfen. Dort wird den ganzen Tag gestritten, über Sport oder Wirtschaft oder Politik, über nationale und internationale Themen, über richtig und falsch. Am Ende ist es alles ziemlich egal. Aber manchmal werden auf Twitter Karrieren gestartet und beendet. Donald Trump ist ein starker Nutzer, spricht dort Fans und Gegner direkt an. Twitter hat ihm teilweise zum Wahlsieg verholfen. Heute können 140 Zeichen aus seinen Fingern die Weltpolitik bewegen. Am anderen Ende sitzt die Schauspielerin Roseanne Barr. Die sah ihren zweiten Frühling abrupt beendet, nachdem sie einen rassistischen Tweet abgesetzt hatte und ihr Sender das Gleiche kurz später mit ihrer TV-Show machte. Und dann ist da noch Elon Musk. Der Unternehmer, Milliardär und Tesla-Chef ist bekannt dafür, in seiner 100-Stunden-Woche irgendwo auch Zeit für Twitter zu finden. Meist geht das gut. Manchmal gehörig daneben.

So wie sein Tweet in Richtung eines Tauchers, der bei der Rettungsaktion für die Burschen beteiligt war, die in einer Höhle in Thailand gefangen waren. Der Taucher Vern Unsworth kritisierte Musk, nachdem der ein Mini-U-Boot nach Thailand hatte schicken lassen. Das sei ein „PR-Stunt“, so Unsworth. Musk könne sich „sein U-Boot sonst wohin stecken“.

In seiner Antwort nannte Musk dann den Taucher einen „pedo guy“, einen Pädophilen. Wie er auf ebendiese Form der Beleidigung kam, werden wir wohl nie erfahren. Den Tweet hat Musk inzwischen gelöscht. Aber der Schaden bleibt. Diesmal, so die Reaktion, ist der Visionär zu weit gegangen. An der Börse gab es einen roten Tag für seine Elektroautofirma Tesla. Es war nicht das erste Mal. Am 1. April sah Musk sich genötigt, einen Scherz über die Insolvenz seiner Firma zu machen. Auch Shortseller, die gegen Tesla spekulieren, bekommen immer wieder den Zorn Musks zu spüren. Mit den Medien hat der Milliardär seit Jahren einen Kleinkrieg laufen. Und bei einem Gespräch mit Analysten im März wurde Musk ausfällig.


Fanatische Fans. In diesen Momenten wird seine Überzeugung, der Welt mit Elektroautos, U-Booten und Raketen etwas Gutes tun zu müssen, zum Opfer seiner Exzentrik. Es ist ein schmaler Grat. Ironischerweise muss einer wie Musk ein bisschen durchgeknallt sein. Seine weitreichenden Pläne, etwa jener einer bemannten Marsmission, können gar nicht einem Hirn mit Vollkaskomentalität entstammen. Fanatische Fans (die sogenannten Musketeers) folgen ihm, weil er anders ist.

Sie sehen in ihm, was sie in Steve Jobs gesehen haben. Einen Exzentriker, der seine Mitarbeiter mit unmöglichen Forderungen und Deadlines quält, der nie zufrieden ist – und trotz aller Widerstände immer wieder liefert. Jobs hat 1000 Songs auf eine Festplatte gepackt, sie iPod genannt und die Musikindustrie revolutioniert. Musk packt exakt 7104 kleine Batterien in ein Auto, nennt es Tesla Model X und will damit Audi, BMW und Mercedes vor sich hertreiben. Aber spätestens seit dem Thailand-Tweet werden Anleger und Fans ein bisschen nervös.

Die Angst geht um, dass Musk es wie Roseanne Barr machen könnte – und sein Lebenswerk irgendwann mit einem unbedachten Tweet in ernste Gefahr bringt. Am 17. Juli veröffentlichte der Investor Gene Munster, der selbst aktuell keine Tesla-Aktien hält, einen viel beachteten offenen Brief an Musk, in dem er diese Sorgen formuliert: „In den vergangenen sechs Monaten hat es zu viele Beispiele für Verhalten gegeben, das die Investoren besorgt und das Vertrauen erschüttert“, so Munster in Richtung Elon Musk: „In unseren Augen haben Ihre Ausfälle gegenüber Analysten, Ihre Frustration mit Shortsellern und den Medien und Ihre Twitter-Konfrontation mit dem Taucher Vern Unsworth bei den Investoren Alarmglocken läuten lassen.“

Der von Musk abgegebene Gesamteindruck sei schädlich für Tesla. „Ihr Verhalten befeuert ein wenig hilfreiches Bild ihres Führungsstils: dünnhäutig und reizbar.“ Was es jetzt brauche, seien eine Entschuldigung und die Konzentration auf das Wesentliche. Musk sollte eine Twitter-Pause in Erwägung ziehen, so der Investor: „Twitter sorgt zwar für Medienaufmerksamkeit für Tesla, aber es hilft nicht dabei, das Produkt zu verbessern.“

Elon Musk hat den Rat angenommen. Aber nicht ganz. Ja, er hat sich entschuldigt. Zumindest ansatzweise. Und er hat den viel kritisierten Tweet gelöscht. Aber er konnte es sich auch nicht verkneifen, einige seiner eigenen Fans zu retweeten – also ihre Botschaften an seine mehr als 20 Millionen Follower zu verbreiten. Die Fans transportieren freilich ein anderes Bild von Musk. Sie verteidigen ihn, greifen erneut die Medien an. Einer schreibt: „Journalismus ist tot.“ Es sind tatsächlich Methoden, die man sonst eher von Donald Trump und seinen Anhängern kennt.


Weltretter. Wenn es um seine extrem loyale Anhängerschaft geht, kann man Musk erneut nur mit Steve Jobs vergleichen. Kein anderer Unternehmer, sei es Bill Gates oder Jeff Bezos, hat so viele Fans. Musk setzt gegenüber Jobs sogar noch eins drauf. Zwar ähneln sie sich durchaus im Stil, wenn sie von ihren Untergebenen das Unmögliche verlangen und sich dann wundern, wenn es scheitert. Aber Musks Ego scheint das des verstorbenen Apple-Gründers noch um einiges zu übertreffen. Denn der gebürtige Südafrikaner hat sich nicht nur zum Ziel gesetzt, die Welt zu verändern. Er will die Menschheit retten. Vor dem Klimawandel. Und vor dem langweiligen Leben auf bloß einem Planeten. Mr. Musk, der durchgeknallte Superheld.

Der Schauspieler Robert Downey Jr. sieht in ihm den echten „Iron Man“ und hat sich Musk als Vorlage für seine Rolle in der Filmserie genommen. Sein ehemaliger Kollege Peter Thiel, selbst ein legendärer Unternehmer und Exzentriker, bewundert Musk vor allem dafür, „in der Welt der Atome“ erfolgreich zu sein – also außerhalb des Digitalen. Das sei ungemein schwierig, so Thiel, der gemeinsam mit Musk Paypal gegründet und später für 1,5 Mrd. Dollar an eBay verkauft hat. Wer sich die Vita von Elon Musk ansieht, teilt rasch die Bewunderung.


„Iron Man“. Musk hatte schon als Teenager sein erstes Computerspiel programmiert und später verkauft. Im Jahr 1999, im Alter von 27 Jahren, verkaufte er seine erste Firma um damals 300 Mio. Dollar an Compaq. Dann kam X.com, aus dem später Paypal wurde. Seit 2004 ist Musk mit Tesla im Geschäft. Mit seiner Firma SpaceX will er ins All fliegen. Mit der Boring Company die Kontinente untertunneln. Der Hyperloop, den er sozusagen als White Paper vorgelegt hat, soll den Begriff des Hochgeschwindigkeitszugs neu definieren. Und seine Firma Neurolink will Implantate produzieren, die Mensch und Maschine zusammenführen. Das passt gut zu „Iron Man“.

In der Computerwelt herrscht das Moore'sche Gesetz. Dieses besagt, vereinfacht ausgedrückt, dass sich die Prozessorleistung von Computern alle zwei Jahre verdoppelt. Es scheint fast so, als würde Musk dieses Gesetz auf sich selbst, seine Leistung und seine Ziele anwenden wollen.

Anders als ein Steve Jobs konzentriert er sich nicht auf eine Sache, sondern rennt in acht verschiedene Richtungen gleichzeitig. Allerdings mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Tesla, seiner größten Firma, widmet er schon die meiste Aufmerksamkeit. Seinen Schreibtisch hat der Chef direkt in der Fabrik, wo auch alle anderen Ingenieure sitzen. Dort ist er dann mindestens zwei Tage die Woche und arbeitet, so viel es geht.

Welche zwei Tage? Samstag und Sonntag natürlich. In Frankreich würden sich die Gewerkschaften von so jemandem zu einem Bürgerkrieg provoziert fühlen. Die Amerikaner liegen Musk zu Füßen und preisen seinen Fleiß, seine Arbeitsmoral und seine Vision. Eigene Bücher und YouTube-Kanäle sind nur dieser einen Frage gewidmet: Wie macht er das bloß? Und auch die, die keine Musk-Verehrer sind, aber ihn von Gesprächen, Interviews und Konferenzen kennen, sagen meist, dass dieser Elon Musk nicht dünnhäutig ist und auch nicht aufbrausend. Sie berichten von einem Mann, der länger denkt, als er redet. Von einem, der dir so lang zuhört, bis er 95 Prozent deines Spezialgebiets verstanden hat.

Sind die Twitter-Debatten und die anderen Konflikte, in die sich Musk verwickelt, vielleicht einfach nur Ausnahmen? Sind es die Spiele eines Exzentrikers, der es gewohnt ist, Erfolg durch bloße Willenskraft zu erzielen? Oder sehen wir tatsächlich Anzeichen des Stresses, weil Musk die ständige Beobachtung von Tesla und seinen Produktionszahlen langsam zusetzt?

Es gibt noch eine dritte, amüsante Erklärung. „Wir werden bald virtuelle Realität sehen und Spiele, die von der Wirklichkeit nicht unterscheidbar sind“, sagte Musk 2016. Er schließt daraus, dass dies schon längst geschehen sein muss und das, was wir als Realität empfinden, nur eine Simulation ist: „Es scheint mir, als wäre die Chance eins zu einer Milliarde, dass wir in der Basisrealität leben.“

So gesehen ist es natürlich noch unwichtiger, was auf Twitter passiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2018)

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