Sie erleiden Demütigungen, Strafen, Folter: Die chinesische Regierung hat die Heimat der muslimischen Uiguren in ein großes Straflager verwandelt. Ein normales Leben ist nicht mehr möglich.
Wo noch im vorigen Jahr die Händler ihre Waren lautstark angepriesen haben, wo Frauen mit Kopftuch wählerisch von Stand zu Stand gezogen sind, um sich Seidenschals oder Mäntel aus Yakwolle auszusuchen, und wo die Wirte von Garküchen ihre Lammspieße auf dem offenen Grill gebraten haben, herrscht heute Grabesstille. Stattdessen patrouillieren Gruppen von Uniformierten durch die Altstadt von Kashgar. „Sicherheitstruppe“ steht auf den Armbinden der zumeist jungen Männer; ihre Abzeichen weisen sie als Mitglieder der Volkspolizei aus. Ihre Bewaffnung wäre einem Krieg angemessen: Sie tragen Sturmgewehre und Maschinenpistolen. Fast alle von ihnen sind ethnische Chinesen, nur wenige sind einheimische Uiguren.
Die Polizisten haben es auf alle abgesehen, die auch nur vage muslimisch wirken. Vor allem Männer mit Bärten müssen alle paar Meter ihren Ausweis vorzeigen. Die Polizisten durchwühlen ihre Taschen und tasten sie ab. In der ganzen Region gelten Sondervollmachten. Die über 2000 Jahre alte Altstadt hat ihre Seele bereits verloren, als die Stadtverwaltung sie kurzerhand neu bauen ließ: Was aussieht wie Lehmhütten, besteht heute aus Beton. Nun verliert die Gegend ihren letzten Rest von Geselligkeit. Das einst so quirlige Kashgar gleicht mehr und mehr einem einzigen großen Lager mit Stacheldrahtsperren mitten in der Stadt.