Türkei gratuliert Özil zu "schönstem Tor" gegen Rassismus

Mesut Özil
Mesut ÖzilAPA/AFP/LUIS ACOSTA
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Türkische Politiker begrüßen den Rücktritt Özils aus der deutschen Nationalmannschaft. In Deutschland bricht hingegen eine Integrationsdebatte aus. SPD-Justizministerin Barley und Grünen-Politiker Özdemir kritisieren den Fußballverband.

Der Rückzug von Mesut Özil aus der deutschen Nationalmannschaft hat die Integrations-Debatte zugespitzt. Während der Fußballer von Politikern verschiedener Bundestagsparteien am Montag Kritik erntete, feierte die türkische Regierung den in Gelsenkirchen geborenen Weltmeister von 2014. Justizminister Abdulhamit Gül schrieb: "Ich gratuliere Mesut Özil für das schönste Tor, das er mit dem Verlassen des deutschen Nationalteams gegen das Virus des Faschismus erzielt hat."

Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel twitterte dagegen: "Integrations-Träumerei funktioniert nicht einmal bei Fußball-Millionären!" Özil stehe "für die gescheiterte Integration von viel zu vielen Einwanderern aus dem türkisch-muslimischen Kulturkreis". Es sei ein Alarmzeichen, wenn sich ein großer, deutscher Fußballer wie Özil in seinem Land wegen Rassismus nicht mehr gewollt und vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) nicht repräsentiert fühle, sagte hingegen Justizministerin Katarina Barley (SPD).

Özil hatte am Sonntag seinen Rücktritt verkündet und dies mit einem Gefühl von Rassismus und Respektlosigkeit begründet. Özil und sein Nationalmannschaftskollege Ilkay Gündogan hatten sich kurz vor der Präsidentschaftswahl in der Türkei mit Erdogan getroffen und ihm Trikots ihrer jeweiligen Vereinsmannschaft überreicht. Gündogan widmete es "seinem Präsidenten". Dies war unter anderem als Wahlkampfhilfe für Erdogan kritisiert worden, dem Missachtung von Menschenrechten und der Pressefreiheit vorgeworfen wird. Özil verteidigte das Foto als Respektbezeugung gegenüber dem Präsidenten des Landes seiner Vorfahren.

Türkischer Sportminister lobt "ehrenhafte Haltung"

Der Sprecher von Präsident Erdogan, Ibrahim Kalin, lobte Özil dafür: "Ein herausragender Fußballer hat eine völlig überzeugende Begründung für sein Treffen mit Präsident Erdogan geliefert." Sportminister Mehmet Kaspoglu ergänzte: "Wir unterstützen von ganzem Herzen die ehrenhafte Haltung, die unser Bruder Mesut Özil gezeigt hat."

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir, der selbst türkische Wurzeln hat, wies Özils Rechtfertigung für das Foto im Deutschlandfunk jedoch zurück: "Für mich war das Foto falsch und es ist nach wie vor falsch." Wenn er das mit Respekt vor der Türkei und Erdogans Amt begründe, so frage er sich, wo der Respekt vor den Opfern von Erdogans Politik bleibe.

Recht habe Özil allerdings mit der Kritik, dass der Deutsche Fußballbund (DFB) im Umgang mit autoritären Herrschern mit zweierlei Maß messe, etwa wenn es um den russischen Präsidenten Wladimir Putin gehe, sagte Özdemir. Zudem habe der Fußball-Spieler zurecht angeführt: "Wenn Du Erfolg hast, bist Du Deutscher, wenn Du verlierst, dann bist Du Migrant".

Ex-DFB-Präsident "tief traurig"

Nach dem Aus bei der WM schon in der Vorrunde hatte der Präsident des Deutschen Fußballbundes (DFB), Reinhard Grindel, Özil einen großen Teil der Schuld gegeben. Die sportliche Leistung Özils kritisierte der Präsident des FC Bayern, Uli Hoeneß. "Der hat seit Jahren einen Dreck gespielt", sagte er der "Sport"-Bild. Er verstecke seine Leistung nun hinter dem Foto. Man müsse die Debatte wieder auf das Sportliche reduzieren: "Und sportlich hat Özil seit Jahren nichts in der Nationalmannschaft verloren!"

Theo Zwanziger, früherer Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, bedauerte den Rücktritt und befürchtet Konsequenzen nicht nur im Fußball. "Ich bin tief traurig über die von Mesut Özil getroffene Entscheidung", sagte Zwanziger. Der Rückzug des türkischstämmigen Weltmeisters sei "für die Integrationsbemühungen in unserem Land über den Fußball hinaus ein schwerer Rückschlag. Er war ein großes Vorbild für junge Spielerinnen und Spieler mit türkischem Migrationshintergrund, sich auch in die Leistungsstrukturen des deutschen Fußballs einzufinden."

Die Affäre um Özil

Mesut Özil und sein ebenfalls in England spielender Nationalmannschaftskollege Ilkay Gündogan hatten sich im Mai, wenige Wochen vor der Präsidentschaftswahl in der Türkei, in einem Londoner Hotel mit Erdogan getroffen und ihm Trikots von ihrer jeweiligen Vereinsmannschaft überreicht. Dies war in Deutschland scharf kritisiert worden, unter anderem als Wahlkampfhilfe für Erdogan, dem ein autoritärer Kurs und Missachtung von Menschenrechten vorgeworfen wird.

Die Affäre überschattete die WM-Vorbereitung der Nationalmannschaft und war auch während des Turniers in Russland Dauerthema. Nach dem deutschen Ausscheiden in der Vorrunde hielt die Kritik an, DFB-Manager Oliver Bierhoff und DFB-Präsident Grindel forderten von Özil eine öffentliche Erklärung.

(APA/dpa)

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