„Catch Me!“: Fangen spielen à la Hollywood

Schnapp den Bräutigam: Das Spiel in „Catch Me!“ wird auch nicht für eine Hochzeit unterbrochen.
Schnapp den Bräutigam: Das Spiel in „Catch Me!“ wird auch nicht für eine Hochzeit unterbrochen.(c) Warner Bros
  • Drucken

KritikDie Komödie „Catch Me!“ handelt von einem Fangenspiel unter Freunden, das kein Ende nimmt. Die Geschichte, die dem Film zugrunde liegt, ist viel interessanter als er selbst.

Umsichtig betritt der Mann sein Haus. Intuition verrät ihm, dass etwas nicht stimmt. Kurz darauf die Bestätigung: Ungebetene Gäste haben sich Zutritt verschafft. Drohend treten sie aus den Schatten. Doch der Bedrängte verzieht keine Miene, er ist auf alles gefasst. Mühelos weicht er den Angreifern aus, setzt sie mit Anmut und Effizienz außer Gefecht – und bevor sie sich aufrappeln können, macht er einen spektakulären Satz durchs Schlafzimmerfenster und rollt sich über das Vordach in Sicherheit.

Klingt wie eine Actionszene aus dem Handbuch für Agententhriller. Ist es aber nicht. Obwohl den Mann, der hier mit fast übermenschlichen Selbstverteidigungsfertigkeiten auftrumpft, Jeremy Renner spielt: ein Star mit Körpereinsatzbereitschaft, der Tom Cruise in den letzten beiden „Mission: Impossible“-Teilen schlagfertig zur Seite stand und sich als Nachfolger Jason Bournes versuchen durfte. Doch die Gegner, mit denen seine Filmfigur es diesmal zu tun hat, sind keine perfiden Häscher internationaler Geheimdienste, sondern Freunde. Und alles, was sie wollen, ist ein bisschen Fangen spielen.

„Tag“: So nennt man diesen Klassiker der Kinderzeitvertreibe in den USA, und so heißt die Kinokomödie, deren Titel für den deutschen Markt zu „Catch Me!“ umgedichtet wurde, im Original. Als Grundlage dient ihr nicht das intellektuell anspruchslose Hollywood-Rezept, das schon 2012 einen Blockbuster über den Brettspiel-Dauerbrenner „Battleship“ (sprich: Schifferlversenken) hervorbrachte, sondern eine kuriose Story, die 2013 die Seiten des „Wall Street Journal“ verschrobener machte: Eine Gruppe von Männern, steht in deren Vorspann, spielt schon seit 23 Jahren miteinander Fangen.

Wer weiterliest, erfährt: Diese Männer sind keine Verrückten, sondern junge Seelen, die besagtes Spiel nutzen, um Sandkistenfreundschaften zu pflegen. „To stay in touch“, heißt es ja auf Englisch. Also werden sämtliche Spielcliquenmitglieder einen Monat im Jahr zum Nachlauf-Freiwild erklärt. In dieser kurzen Saison können alle jederzeit und überall durch Abklatschen („Tag, you're it“ – „Du bist's“) vom Gejagten zum Jäger werden. Manche legen für den Überraschungseffekt lange Wege zurück, verstecken und verkleiden sich sogar.

 

Nicht viel mehr als Geblödel

Wer jetzt denkt, dass sich aus dieser Geschichte schwer ein Spielfilm machen lässt, der interessanter ist als seine realweltliche Vorlage, hat Recht. Eine Doku? Bestimmt. Eine Realityshow im Geiste des Streich- und Stunt-TV-Hits „Jackass“? Vielleicht. Für eine Komödie bietet das auf dem Papier recht vergnüglich anmutende Extremfangen aber schlichtweg nicht genügend visuelles Unterhaltungspotenzial. Was uns zur einleitenden Actionszenenbeschreibung zurückbringt. Das Patentrezept des TV-Regieveteranen Jeff Tomsic liegt darin, eine Figur mit De-Facto-Superkräften auszustatten (Renner spielt einen Fitnesstrainer). Viel mehr als die aus diesem Umstand resultierende Pannenrevue seiner Verfolger, die sich zuspitzt, aber immer nach dem gleichen Muster abläuft, hat „Catch Me!“ nicht im Schmährepertoire.

Der Rest ist mäßig amüsantes Rumgeblödel und wohlfeile Männerbundromantik. Der Film tut sich überdies schwer mit der verfehlten Absicht, seinem Thema emotionales Gewicht zu verleihen: Seine Protagonisten, verkörpert von Ed Helms („Hangover“), Jon Hamm („Mad Men“) und anderen, sind fast alle Wohlstandsmenschen, denen es an wenig fehlt, nicht einmal ihre Freundschaften scheinen wirklich im Argen zu liegen. Und denen, die laut Drehbuch Probleme haben, kauft man es entweder nicht ab – oder sie dienen als bloße Staffage. Ein Spielangebot, das man ruhigen Gewissens abschlagen kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2018)


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.