Spindelegger zu Mindestlohn: "Ich warne vor diesem Jobkiller"

Spindelegger warne diesem Jobkiller
Spindelegger warne diesem Jobkiller(c) AP (SEBASTIAN SCHEINER)
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ÖAAB-Chef und Minister Spindelegger im "Presse"-Interview. Er hält nichts von einem höheren Mindestlohn: "Die Gefahr besteht, dass viele die Mindestsicherung attraktiv finden und nebenbei nur noch schwarz arbeiten."

„Die Presse“: Der ÖGB will den Mindestlohn von 1000 auf 1300 Euro erhöhen. Setzt Sie das als schwarzen Arbeitnehmervertreter unter Druck?

Michael Spindelegger: Im Gegenteil. Ich halte den Vorstoß für gefährlich und letztendlich für arbeitnehmerfeindlich. Schauen Sie sich die Arbeitslosigkeit an: Sie ist genau in der Zielgruppe enorm hoch, die von einem Mindestlohn mit 1300 Euro am meisten betroffen wäre. Setzt man das um, schnellt die Arbeitslosigkeit genau dort noch einmal dramatisch in die Höhe.

Warum?

Spindelegger: In einer tiefen Wirtschaftskrise wäre es fatal, durch staatlich verordnete Löhne Jobs zu vernichten. Das wäre eine Rechnung ohne den Wirt, der in diesem Fall eine krisengeschüttelte Wirtschaft ist.

Die Ablehnung eines höheren Mindestlohns ist für Sie also eine Frage der realistischen Einschätzung?

Spindelegger: Man muss vor diesem Jobkiller einfach warnen. Was hat jemand davon, dass er auf dem Papier zwar 1300Euro verdient, aber keinen Job mehr hat?

Das Argument des ÖGB ist, dass ohne Anhebung des Mindestlohns der Abstand zur geplanten Mindestsicherung (744 auf 1000 Euro) zu gering ist, um Leute noch zum Arbeiten zu bewegen.

Spindelegger: Die Gefahr besteht, dass viele die Mindestsicherung attraktiv finden und nebenbei nur noch schwarz arbeiten. Dem ist gegenzusteuern. Eine Möglichkeit dazu ist die Transparenzdatenbank.

Verabschiedet sich die ÖVP peu à peu von der Mindestsicherung?

Spindelegger: Nein, es geht um die Umsetzung. Sie muss als Auffangnetz und Jobsprungbrett konzipiert werden.

Das ist Ihnen jetzt zu wenig klar umrissen?

Spindelegger: Deswegen wollten wir ja immer ein Transferkonto.

Das hat ja nichts mit der Mindestsicherung zu tun. Die würde die Sozialleistungen ohnehin vereinheitlichen und so transparenter machen.

Spindelegger: In den jetzigen Vorschriften ist nicht enthalten, dass die Gemeinden alle ihre Leistungen offenlegen und einen Konnex zu anderen Förderungen herstellen. Außerdem müssten wir das Problem anders angehen: Die Menschen in Jobs bekommen und besser qualifizieren, dann können sie auch besser verdienen.

Ein Transparenzkonto hat ja auch nur dann Sinn, wenn man klipp und klar sagt, wann und wo man die Sozialleistungen straffen will.

Spindelegger: Mehr wird es nicht werden können. Das ist richtig. Es darf schließlich nicht sein, dass jemand mit allen Förderungen besser aussteigt, als wenn er arbeitet.

Wäre es nicht gescheiter, die Sozialleistungen zu zentralisieren? Dann ist die Kontrolle schlagartig leichter.

Spindelegger: Das hieße aber, die Nähe zu den Bürgern zu kappen.

Halten Sie staatliche Festlegungen von Mindestsicherung bis Mindestlohn prinzipiell für sinnvoll?

Spindelegger: Ein Mindestlohn ist durchaus etwas, über das man reden soll. Jeder, der Vollzeit arbeitet, soll auch davon leben können. Keine Frage. Man muss sich aber über den Zeitpunkt und die Wirkung des Ganzen im Klaren sein.

Kann jeder von 1000 Euro leben?

Spindelegger: Es ist nicht genug, häufig aber leider Realität. Wir müssen uns vielmehr überlegen, wie wir Jobs für die Zukunft schaffen, nicht verhindern – durch höhere Qualifikation und Bildung.

Niedriglohnjobs werden wohl nicht schlagartig verschwinden. Haben Sie Angst vor mehr Schwarzarbeit?

Spindelegger: Davor und dass die Jobs von Tagespendlern aus Ungarn oder der Tschechoslowakei übernommen werden. Nächstes Jahr laufen die eingeschränkten EU-Freizügigkeitsregeln ab, was den Zugang zu unserem Arbeitsmarkt für unsere Nachbarn erleichtert.

AUF EINEN BLICK

Michael Spindelegger, Außenminister und Chef des schwarzen Arbeitnehmerbundes ÖAAB hält die Forderung nach einem höheren Mindestlohn für gefährlich. Die Wirtschaft könne es sich in Zeiten der Krise nicht leisten, für gewisse Jobs mehr zu bezahlen.

„Die Presse“ (Mittwochsausgabe) berichtete exklusiv, dass der ÖGB Pläne wälzt, den Mindestlohn von 1000 auf 1300Euro zu erhöhen. Man begründet das mit der Mindestsicherung, die 2011 eingeführt werden soll und die mit 744Euro monatlich festgesetzt ist. Der Abstand zum Mindestlohn und damit auch der Anreiz zu arbeiten sei zu gering.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2010)

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