Österreich: Ein Land der Waldbesitzer

Försterin und Waldbesitzerin Sandra Tuider mit ihrem Jagdhund Uschi – „Pudel sind Wasserjagdhunde“. Sie berät über den Waldverband Niederösterreich Kleinwaldbesitzer und wurde mit dem Staatspreis für beispielhafte Waldbewirtschaftung ausgezeichnet.
Försterin und Waldbesitzerin Sandra Tuider mit ihrem Jagdhund Uschi – „Pudel sind Wasserjagdhunde“. Sie berät über den Waldverband Niederösterreich Kleinwaldbesitzer und wurde mit dem Staatspreis für beispielhafte Waldbewirtschaftung ausgezeichnet.(c) Clemens Fabry
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Österreich hat rund 140.000 private Waldbesitzer – vor allem die Kleinwaldbesitzer werden mehr. Einerseits, weil viele den Wald als Anlage verstehen, teilweise werden schon Liebhaberpreise gezahlt. Andererseits, weil immer mehr Menschen das Hobby Wald für sich entdecken und eine Sehnsucht danach entwickelt haben.

Es gibt Bilder, die sind in unseren Köpfen fest verankert. Denken Sie zum Beispiel an einen Förster. Natürlich männlich, nicht allzu jung, mächtig (und zwar nicht nur auf die Statur bezogen) und vielleicht ein bisschen unheimlich, weil er ja auch noch Jäger ist – mit fixem Platz am Wirtshausstammtisch, an dem die Angelegenheiten im Ort besprochen werden.

Sandra Tuider ist das komplette Gegenteil davon: Frau, jung, Wienerin, weder Bierbauch noch Jagdschein. Aber immerhin hat sie einen Jagdhund: eine weiße Pudeldame namens Uschi. „Pudel sind Wasserjagdhunde, sie hat sogar die Jagdausbildung und trägt die Ruhe in sich“, sagt Tuider. Sie selbst ist Forstwirtschaftsmeisterin, die erste Österreichs. „Mittlerweile wird es schon drei, vier oder fünf geben.“ Um die Jahrtausendwende hat Tuider ihr Leben komplett geändert. „Ich war in Wien, siebter Bezirk, und hatte gar keine Ahnung vom Wald.“ Kunstgeschichte hat sie studiert und später bei der Galerie Hilger gearbeitet. Der Umstieg war familiär bedingt, ihre Familie hat in dem kleinen Nest Thernberg in der Buckligen Welt einen Forstbetrieb mit rund 400 Hektar. Also hat Tuider um 1999/2000 die Ausbildung zur Fortswirtschaftsmeisterin berufsbegleitend gemacht. Sie war damit die Erste in der Familie (zuvor haben das Angestellte übernommen), heute leitet sie nicht nur den Forstbetrieb, sie berät auch über den Waldverband Niederösterreich Kleinwaldbesitzer. Und deren gibt es nicht nur in Thernberg viele.

Tuider ist ein gutes Beispiel dafür, dass Waldbesitzer vielschichtiger werden. Während diese früher meist auch Landwirte waren und Hof und Wald an den erstgeborenen Sohn vererbt haben, werden heute Waldparzellen öfter gerecht auf die Geschwister aufgeteilt. Somit werden auch die Waldstücke kleiner – und die Waldbesitzer unwissender, weil sie eben nicht darauf vorbereitet wurden, all das einmal zu übernehmen. (Gleichzeitig wird das Fachpersonal mehr, das ebendiese Waldbesitzer berät).

Die Presse/Clemens Fabry


Wiener Waldbesitzer. Hoffremde Waldbesitzer lautet der Fachbegriff für den typischen Wiener, der ein Stück Wald erbt oder kauft, in der Stadt lebt und in der Regel keine Ahnung von Forstwirtschaft hat.

„Das Besondere in Österreich ist, dass es sehr viele Privat- und Kleinwaldbesitzer gibt. In anderen Staaten ist der Wald vielfach in öffentlicher Hand“, sagt dazu Horst Pristauz-Telsnigg, Leiter der Abteilung Dienstleistung bei den Österreichischen Bundesforsten. Laut dem Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus befinden sich 80 Prozent der heimischen (knapp vier Millionen Hektar großen) Waldfläche in Privatbesitz. Rund 140.000 private Waldbesitzer gibt es. Der Rest ist in öffentlichem Besitz: Bundesforste, Gemeinden und Länder.

Dass die Kleinwaldbesitzer (unter 200 Hektar) mehr werden, beobachtet man nicht nur im Ministerium, sondern auch bei den Bundesforsten und den Waldverbänden in den Bundesländern (siehe Artikel rechts). Das bringt einerseits neue Zugänge mit sich, teilweise natürlich aber auch Probleme – denn viele Neowaldbesitzer mischen sich nicht gern in die Natur ein, was spätestens beim Borkenkäfer problematisch wird –, andererseits auch eine neue Wertschätzung gegenüber dem Wald. Man kann es eine Sehnsucht nach dem Wald nennen, die sich auch in den vielen Publikationen widerspiegelt: vom „Wald“-Magazin der Bundesforste bis hin zu den Büchern des deutschen Försters und mittlerweile Bestsellerautors Peter Wohlleben.


Geschenk von Erzherzog Johann. Eine Sehnsucht nach dem Wald beobachtet auch Sandra Tuider, die in dem kleinen Ort Thernberg derzeit 34 Waldbesitzer betreut. Dort sei die Situation historisch bedingt recht speziell. Anfang des 19. Jahrhunderts hat Erzherzog Johann jedem Haus einen Stück Wald geschenkt, für die eigene Holzversorgung. „Früher hat das zum Heizen gereicht, da waren die Häuser kleiner und die Leute genügsamer“, sagt Tuider und führt in den Wald. Die kleinen Waldparzellen wurden stets weitervererbt, allerdings waren die Waldstücke kaum zugänglich. Vor drei Jahren wurde auf Initiative der Försterin eine Forststraße errichtet. Die Forstliche Bringungsgenossenschaft Erzherzog Johann hat dafür 2017 den Staatspreis für beispielhafte Waldwirtschaft in der Kategorie Kooperation erhalten (Tuider selbst bekam den Preis 2015). Seitdem können die einzelnen Parzellen gut bewirtschaftet werden – bei manchen bleibt es allerdings beim können. Denn ein Waldbesitzer muss den Wald lediglich erhalten, durchforsten muss er ihn nicht.

„Die Parzelle zum Beispiel“, sagt Tuider bei einem Rundgang und deutet auf ein Stück Wildwuchs, „wurde noch nie durchforstet, das ist alles natürlich gewachsen. Sie gehört einem Juristen aus Wien. Er hat einen anderen Zugang.“ Für den Laien mag „natürlich gewachsen“ vielleicht gut klingen, für den Wald ist es das allerdings nicht. Denn bei diesem Wald handelt es sich um keinen jahrhundertealten Urwald, sondern um einen von Menschen vor 30, 40 Jahren angelegten Wald. Sehr eng wurden damals vorwiegend Fichten gesetzt. Bei einer nachhaltigen Bewirtschaftung werde stets so viel Holz herausgenommen wie wieder nachwächst. Der Boden bekommt dadurch Licht, es können verschiedene Kräuter wachsen – und auch junge Bäume nachwachsen.

Tuider führt zu einer vorbildhaft durchforsteten Parzelle und ist ob des lebendigen Bodens begeistert: „Hier wächst eine Haselnuss, da eine Eiche, hier eine Buche und da eine Tanne“, sagt sie. Dazwischen wachsen Kräuter wie Schafgarbe oder Johanniskraut. Ein Stück weiter hingegen stehen Fichten sehr dicht aneinander. Der Boden ist dunkel und lediglich von Fichtennadeln besetzt. „Man sieht, dass der Boden nicht lebt, es gibt kein Kraut, kein Licht. Das ist ein anderes Biotop, der Boden ist zu sauer.“ Tuider kritisiert das allerdings nicht. Der Waldbesitzer habe eben einen anderen Zugang, es sei seine Entscheidung, wie er mit dem Wald umgeht. Eingreifen müsse man erst, wenn Gefahr im Verzug sei, sich etwa der Borkenkäfer breitmache. Selbst alte Bäume, die einem Wanderer auf den Kopf fallen könnten, müssen nicht zwingend entnommen werden. Der Waldbesitzer haftet nur dort, wo es einen offiziellen Wanderweg gibt. Wo es den nicht gibt, gilt ein Betretungsrecht.


Bierbrauer im Wald. Manche Waldbesitzer hingegen lassen sich gern von Tuider helfen – von der Grenzmarkierung der eigenen Parzelle über die Entnahme des Holzes bis hin zum Verkauf. Der Bierbrauer Markus Wagner ist so ein Neowaldbesitzer. Auch er ist ein Quereinsteiger und eigentlich ein Städter. Der gebürtige Grazer war lang in Wien in der IT-Branch tätig, hat dann aber beschlossen, mit seiner Frau, eine Kärntnerin, aufs Land zu ziehen – und sich mit dem Wolfsbräu selbstständig zu machen (sein Schwiegervater war Braumeister). Also kaufte er einen alten Bauernhof, bei dem auch Grünland und ein Stück Wald dabei waren. Das Grünland hat Wagner an einen Bauern verkauft, den Wald wollte er behalten. „Weil es sich gut anfühlt, einen Wald zu haben. Es sind nur drei Hektar, wie ich hergekommen bin aus der Stadt, hab ich mir gedacht, das ist ja riesig. Aber ich wurde eines Besseren belehrt.“ Heute genießt er es, durch seinen Wald zu gehen, „auch wenn man in zehn Minuten fertig ist“. Ihn zu durchforsten, findet er richtig, einen Teil des Holzes verwendet er für den Eigengebrauch, der Rest wird verkauft. Es sei ihm auch wichtig, den Kindern den Wald näherzubringen und etwas der nächsten Generation zu hinterlassen.

Im Ort sei er mittlerweile gut integriert, erklärt der Bierbrauer – was auch prompt bestätigt wird. Innerhalb einer halben Stunde, in der ein Gespräch über den Wald versucht wird, bekommt er Besuch von einer Kundin, die Bier kaufen will, dem Rauchfangkehrer, einem Nachbarn, der sich ein Gerät ausborgen will, und der 90-jährigen Nachbarin, die um ein Mittagessen bittet – sie wäre schon hungrig, auch wenn es noch nicht einmal halb zwölf ist. Irgendwann kehrt aber Ruhe ein, und die Försterin und der Waldbesitzer kommen ins Schwärmen, wie schön der gepflegte Boden sei, wie lebendig und was hier alles wächst. Es dürfte dieses gute Gefühl sein, das viele dazu veranlasst, in ein Stück Wald zu investieren.


Wald als Anlage. Denn auch das haben Waldexperten beobachtet. Seit der Wirtschaftskrise 2008 steigt die Nachfrage nach Wald. „Die Leute haben Geld, die Zinsen sind schlecht, viele sehen den Wald als Anlageform“, sagt Horst Pristauz-Telsnigg von den Bundesforsten. Die Preise für ein Stück Wald seien teilweise überteuert. Pristauz-Telsnigg berichtet von Liebhaberpreisen, bis zu vier, fünf oder gar sechs Euro pro Quadratmeter. Für den Laien mag das wenig klingen, für jene, die davon leben, allerdings nicht: „Früher hat man gesagt, ein Bauer zahlt bis zu einem Euro, wenn er davon leben muss“, sagt Paul Lang, Obmann des Waldverbandes Steiermark. Auch Försterin Tuider hat beobachtet, dass vermehrt in den Rohstoff Holz investiert wird – „so wie man in Saudiarabien in Öl investiert“.

Manche Waldbesitzer sehen den Wald auch als Spielwiese und Anlass, sich diverse Maschinen und Traktoren zuzulegen, die sie im Wald nutzen können. Andere, wie der Bierbrauer Wagner, sammeln lediglich das Brennholz ein, das sie für den Schwedenofen brauchen. Weibliche Waldbesitzer sehen hingegen weniger „die Festmeter“, wie es Truider bei den Männern beobachtet hat, sondern das Schöne daran, die Natur, die Gerüche, das Harmonische. So unterschiedlich all diese neuen Waldbesitzer sein mögen, ihnen allen ist dieses gute Gefühl gemein, das ihnen der Wald gibt.

Lektüre

Wald. Die Österreichischen Bundesforste geben alle zwei Monate ein Magazin zum Thema Wald heraus. www.waldmagazin.at

Peter Wohlleben. Der deutsche Förster ist mit seinen Büchern zum Thema Wald mittlerweile zum Bestsellerautor geworden. „Das geheime Leben der Bäume“ (2015) läutete den Trend zur Wald-Literatur ein, sein aktuelles Buch heißt „Das geheime Netzwerk der Natur“.

Adressen

Infos für Waldbesitzer
Während die Österreichischen Bundesforste vorwiegend Großwaldbesitzer (ab 200 Hektar) betreuen, sind die Waldverbände der einzelnen Bundesländer die Anlaufstellen für Kleinwaldbesitzer, zum Beispiel: www.waldverband-noe.at, www.waldverband-stmk.at

Weitere Anlaufstellen für hofferne Waldbesitzer: www.z-eichensetzen.at sowie das Projekt Klimafitter Wald, www.klimafitterwald.at.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2018)

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