Fidesz in Ungarn: "Die Zeit ist reif, Magyaren!"

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Konservative Medien sehen bei einem möglichen Wahlsieg der oppositionellen Jungdemokraten einen "neuen Frühling". Für die Linke hat Fidesz-Chef Orbán kein Programm.

BUDAPEST. Die Reaktionen in der ungarischen Öffentlichkeit auf den Wahlkampfauftakt der nationalkonservativen Jungdemokraten spiegeln die anhaltend scharfe Spaltung zwischen den großen politischen Lagern wider. Während die konservative Zeitung „Magyar Nemzet“ die Rede von Parteichef Viktor Orbán damit kommentierte, dieser habe ein „lustloses, niedergeschlagenes und verarmtes Land aufrütteln“ und in einen „neuen Frühling“ führen wollen, kritisierte das linksliberale Blatt „Nepszabadság“, Orbán sei ein Programm schuldig geblieben.

Attila Juhasz von der liberalkonservativen Denkfabrik „Political Capital“ glaubt, dass es Orbán vor allem darum gegangen sei, die übertriebenen Erwartungen der Wählerschaft in die künftige Regierung zu dämpfen, aber gleichzeitig die Anhängerschaft zu mobilisieren. Für die Jungdemokraten besteht nämlich die Gefahr, dass angesichts des sicher scheinenden Wahlsieges am 11. April viele ihrer Sympathisanten gar nicht wählen gehen.

Später Beginn des Wahlkampfs

Erst am Montagabend, also knapp vier Wochen vor der ersten Runde der Parlamentswahl, haben die Jungdemokraten offiziell ihre Wahlkampagne begonnen. Der späte Einstieg hat einen Grund: Die Partei führt in den Meinungsumfragen haushoch vor den regierenden Sozialisten und der fast gleichauf liegenden rechtsradikalen Partei Jobbik. Selbst eine parlamentarische Zweidrittelmehrheit scheint für Orbáns Partei in Reichweite.

Obwohl von zehntausenden Anhängern am Fuß der Budaer Burg mit „Viktor, Viktor!“-Sprechchören begrüßt, hielt sich der ansonsten so wortgewaltige Parteichef in seiner Rede mit allzu scharfen Worten zurück. Orbán, der nach dem Stand der Dinge wieder ungarischer Premier wird, probte offensichtlich bereits die Rolle des Staatsmannes.

Die heutige Lage in Ungarn malte er in schwärzesten Farben: Die ungarische Wirtschaft liege im Koma, der Staatsapparat taumle, im Gesundheitswesen herrschten unbeschreibliche Zustände, und die öffentliche Ordnung sei im Begriff zu kollabieren. Angesichts dieses Trümmerhaufens, den die Sozialisten hinterlassen würden, hätten Millionen von Ungarn ihren Nationalstolz verloren. Orbán: „Sie sind ihrer Hoffnungen beraubt worden und verspüren gegenüber ihrem Land heute nur noch ein Gefühl der Schande.“

Aber Ungarn sei in Wahrheit ein aufgewecktes Land mit vielen talentierten Menschen: „Die Ungarn haben ein Talent zum Erfolg.“ Laut Orbán hätten die vergangenen acht Jahre unter diversen linksliberalen Regierungschefs den wahren Charakter der Ungarn entstellt.

Die Parlamentswahlen im April aber würden diese düstere Periode der ungarischen Geschichte ein für allemal abschließen, glaubt Orbán. Die Jungdemokraten würden einen „durchschlagenden Wahlsieg“ feiern, der sogar eine Revolution übersteigen werde. Orbán versprach zudem, die zahlreichen brennenden Probleme des Landes an der Wurzel zu packen.

Zu neuen Ufern

Für eine „echte Erneuerung“ des Landes sei freilich auch ein Umdenken der Menschen notwendig: „Alle Ungarn müssen zuerst den Hang zur Verderbtheit in sich selbst zügeln.“ Das Land wähle nicht nur eine neue Regierung, sondern auch eine Zukunft mit einem neuen geistig-moralischen Fundament. Nur die Jungdemokraten seien in der Lage, das Land zu neuen Ufern zu führen. Orbán schloss seine Rede mit den Worten: „Die Zeit ist reif, Ungarn! Die Zeit ist reif, Magyaren!“

AUF EINEN BLICK

Ungarn wählt am 11. April ein neues Parlament; eine zweite Wahlrunde findet am 25. April statt. Laut Umfragen könnten die rechtskonservativen Jungdemokraten sogar eine Zweidrittelmehrheit erreichen; die derzeit regierenden Sozialisten liegen bei 20 Prozent, gefolgt von der rechtsextremen Partei Jobbik („Die Besseren“) mit 17 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18. März 2010)

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